Initiative Pro Netzneutralität

Websperren und Zensur im Deutschlandfunk

16. Juli 2009 18:17

Am 15.07.09 wurde im Rahmen der Reihe “Zur Diskussion” aus dem Hause des Justizministeriums eine Podiumsdiskussion unter dem Titel “Freiheit oder Anarchie – Was darf das Internet ?” gesendet. Teilnehmer waren drei Juristen, Prof. Dr. Ernst Gottfried Mahrenholz, ehemaliger Vizeprasident des BVerfG, Prof. Dr. Felix Herzog, Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaft an der Uni Bremen, Herr Prof. Dr. Ulrich Sieber vom Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht, Freiburg, sowie ein Vertreter von jugendschutz.net, Herr Stefan Glaser und Herr Christian-Oliver Moser vom Zentralrat der Juden in Deutschland.

Diese Sendung ohne Beteiligung eines Vertreters aus der Community an den Zensurvorwürfen und am Widerstand gegen die Websperren aufzuhängen war m.E. irreführend und der Diskusssion hätte eine besser informierte Moderatorin gut getan. Was die Juristen gesagt haben, fand meine Zustimmung. Ich habe mir sogar den schönen Satz gemerkt. “Wir haben in Deutschland kein Problem der Gesetzgebung sondern des Gesetzesvollzuges.” Zugleich wurde auf die mangelnde Ausstattung der Ermittlungsbehörden mit IT-Technik hingewiesen. Probleme der Durchsetzung deutscher Rechtsnormen im Ausland wurden von den Juristen fair diskutiert.

Meine Beschreibung der Sendung ist unvollständig. Sie kann von Deutschlandradio als Podcast heruntergeladen und nachgehört werden.

Externer Link zum Podcast (MP3, ca. 20MB, 43 min.)

Weil man diese Sendung als Rechtfertigung für Websperren mißverstehen kann, schrieb ich eine Hörermail an den Sender. Der Name der Redakteurin war leider nirgends ausfindig zu machen. Diese in’s Webformular gequetschte Mail gebe ich hier fast vollständig wieder. Ich habe nur den letzten Absatz mit meinen Grüßen und der Ankündigung die Mail zu posten weggelassen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Sendung “Zur Diskussion” mit dem Thema “Freiheit oder Anarchie – Was darf das Internet?” vom 15.06.09 hätten Sie sich sparen können, da Sie den Konflikt um die Websperren immer noch nicht verstanden haben.

Es geht der Community beim Widerspruch gegen diese Sperren nicht um eine Wertediskussion. Diese können wir gerne führen, doch die hat nichts damit zu tun. Niemand stellt in Frage, daß Kinderpornographie und die Vergewaltigung von Kindern moralisch negativ zu bewerten ist. Die Community wehrt sich aber dagegen, das Internet technisch zu beschädigen um solche Straftaten zu verfolgen. Mit dieser Beschädigung schafft man sehr wohl technische Voraussetzungen, die für Zensur genutzt werden könnten.

Es gibt bessere Methoden gegen Kinderschänder und Kinderpornographie vorzugehen und darum wird gestritten. Die Community behauptet zu Recht, daß die meisten Seiten mit kinderpornographischen Inhalten selbst im Ausland aus dem Netz genommen werden könnten. Das wurde mehrfach praktisch vorgeführt, von Frau von der Leyen und dem BKA aber ignoriert. Immerhin konnte erreicht werden, daß das Entfernen vor dem Blockieren von Webseiten versucht werden muß. So steht es jetzt nach den Protesten im Zugangserschwerungsgesetz. Man möchte hoffen, daß dies wirklich ernsthaft geschieht.

Man braucht nur die Betreiber der Server kontaktieren, was entgegen anders lautenden Aussagen recht einfach ist. Dazu stellt man mit entsprechenden Tools eine Whois-Abfrage und hat augenblicklich die Postadresse, meistens auch eine eMail-Adresse und eine Telefonnummer. Vielleicht sehen die Ministerin und das BKA ihre Authorität in Frage gestellt, weil dies ganz ohne Einschreiten von Behörden jedermann möglich ist. Im Falle von Kinderpornographie sind die Bitten um Entfernen der Inhalte meistens erfolgreich, da Kinderpornographie weltweit verboten oder gesellschaftlich stark geächtet ist. Darüber hinaus bemängelt die Community, daß mit dem Blockieren von Seiten noch gar nichts gegen den Kindesmißbrauch selber unternommen wird. Es werden nur die Konsumenten oder jene die man dafür hält kriminalisiert. Das hilft keinem einzigen Kind. In der Tat braucht es mehr und bessere Ausstattung für die Ermittlungsbehörden.

Gegen den Inhalt der Sendung, gegen eine Diskussion von Werten ist nichts zu sagen. Lassen Sie sich aber bitte nicht von unserer Familienministerin für deren Symbolpolitik instrumentalisieren. Leider gehört zum Streit um die Websperren ein gewisses technisches Verständnis. Das fehlt vielen, die das Blockieren von Webseiten fordern und nichteinmal den Unterschied zum Löschen verstehen. Mit etwas Mißtrauen kann man unterstellen, daß eine Zensur des “bösen” Internets gewollt ist. Wenn man historisch zurück blickt sieht man, wie restriktiv Obrigkeiten auf neue Medien reagiert haben. Ähnlich ergeht es gerade dem Internet. Man darf aber nicht den Überbringer einer schlechten Nachricht bestrafen. Das Internet hat die Kommunikation der Menschen um neue Dimensionen erweitert. Die Möglichkeiten des Internets sollten z.B. zur Bekämpfung von Kinderpornographie und extremistischen Einstellungen genutzt werden anstatt daß man das Internet selber zurecht stutzt.

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Erstellt: 16. Juli 2009 18:17
Geändert: 16. Juli 2009 18:32
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