Initiative Pro Netzneutralität

Erneute Klage beim BVerfG gegen das geänderte Klimaschutzgesetz

3. Februar 2022 19:55

Visualisierung der Klimaerwärmung - © Ed Hawkins CC: BY


Am 26.01.22 reichte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zusammen mit 9 jungen Menschen erneut eine Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutzgesetz (KSG) ein. Das KSG von 2019 wurde erst 2021 von der damaligen Bundesregierung unter Merkel überarbeitet und ist seit 31.08.21 in Kraft. Aufgrund einer Entscheidung des BVerfG vom 24.03.21, vergl. vorheriger Blogeintrag, mußten die Klimaziele angepaßt werden. Nach der alten Fassung von 2019 sollte die Treibhausgasemission bis 2030 um 55 Prozent gesenkt werden. Die Klimaneutralität war für 2050 anvisiert. In der neuen Fassung ist für 2030 eine Senkung der Treibhausgase um mindesten 65 Prozent angestrebt. 2040 sollen es 88 Prozent sein. Für diese Zahlen gilt das Jahr 1990 als Referenz.

Die Bundesregierung hat zwar auf das Urteil des BVerfG reagiert und es scheinheilig gelobt, ob das geänderte Gesetz aber die Vorgaben des Richterspruchs erfüllt, ist mehr als zweifelhaft.

Die 162 seitige Klageschrift (PDF-Link) der DUH legt anhand von Rechenmodellen des Weltklimarates Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) sehr ausführlich dar, weshalb das veränderte KSG nicht ausreicht, die Klimaerwärmung auf 1,5° C zu begrenzen. Damit ist das KSG nach wie vor in Teilen verfassungswidrig, verstößt gegen Artikel 20a des Grundgesetzes und auch gegen das Pariser Klimaabkommen, in dem Ende 2015 eine Begrenzung auf deutlich unter 2° C verbindlich vereinbart wurde.

Anzumerken ist, daß völkerrechtliche Vereinbarungen, wenn es hart auf hart kommt, nicht wirklich bindend sind. Sie verpflichten die Unterzeichner bestenfalls moralisch, nicht aber juristisch, da es, vielleicht sogar zum Glück, keine Welthoheit gibt. Das Völkerrecht funktioniert nur, weil sich die meisten Staaten daran halten. Es gibt genug Gegenbeispiele.

In der Klageschrift geht es um unterschiedliche Szenarien, bei welchem Minderungspfad (d.h. bei welchen Zielvorgaben s.o.) welche Temperaturbegrenzung mit welcher Wahrscheinlichkeit erreicht wird und welcher Minderungspfad für die Einhaltung des 1,5° Zieles erforderlich wäre. Stets geht es um die Restbugets an noch möglichem CO2 Ausstoß, die bis zum Erreichen unterschiedlicher Werte der Klimaerwärmung zur Verfügung stehen. Ein Vergleich mit der realen Dynamik des CO2 Ausstoßes läßt erkennen, daß wir auf dem besten Weg sind, das Klima zu versemmeln.

Ich erwarte, daß das BVerfG dieser Klage stattgibt. Dies müßte sich eigentlich aus dem ersten Urteil ergeben. Ansonsten müßte sich das Gericht mächtig verrenken, um zu belegen, daß mit dem derzeitigen KSG das Klimaschutzziel von 1,5° C noch eingehalten werden könnte, um ein irreversibles Kippen des Klimas zu verhindern.

Könnte es die Klage womöglich auch abweisen?

Ein wenig wurde ich aufgeschreckt, als ich mit halbem Ohr hörte, das BVerfG habe eine Klage der DUH und mehrerer jüngerer Menschen abgewiesen. Es ging aber nicht um die hier beschriebene Klage gegen das KSG sondern darum, daß das Gericht am 01.02.22 elf DUH-Klagen gegen Bundesländer nicht zur Entscheidung angenommen hatte. Diese Bundesländer haben entweder ebenfalls unzureichende oder gar keine Klimaschutzgesetze. Das Gericht verwies auf die bestehenden Regelungen auf Bundesebene und sah keinen Grund für diese Klagen.

Was denke ich über diese erneute Klage gegen das aktuelle KSG?

In der Klageschrift wird mehrmals gewarnt, daß ein Weiterso oder Nichtagieren irgendwann eine harte Notbremse erfordern würde. Ich frage mich, ob es diese tatsächlich jemals geben wird, oder ob bestimmte Interessengruppen nicht alles tun werden, die Klimaerwärmung auch weit über 2° C hinaus ansteigen zu lassen, damit ihre Geschäfte nicht gestört werden. Desinformationskampagnen starten, 100 Nobelpreisträger finden, die den Klimawandel anzweifeln, ist ja kein Problem für diese Leute.

Die Klageschrift, die sich nicht ganz einfach liest, mag der Argumentation vor dem hohen Gericht gut dienen. Meiner Meinung nach übernimmt sie aber den Blick auf das Klimaproblem von jenen, die an den Schalthebeln sitzen. Es sieht so aus, als ginge es vor allem darum, unter Ausnutzung der Restbugets das Erreichen der Klimaneutralität so weit wie irgend möglich hinauszuzögern, um vorher noch den Maximalprofit heraus zu schlagen.

Scheiß auf die Bugets! Warum fangen wir nicht sofort damit an, alle technischen Möglichkeiten zu nutzen, um ein Kippen des Klimas abzuwenden? Wir haben sehr viele dazu geeignete Techniken und ich glaube an die Kreativität des Menschen, so gut wie alle technischen Probleme zu lösen.

Damit mich niemand falsch versteht, die Klage und eine erneute Entscheidung des BVerfG für das Klima ist bitter nötig!

Schon jetzt wird uns Angst gemacht, daß die Rettung des Klimas teuer wäre und sozial Schwache besonders treffen würde. Dabei wird natürlich im Hier und Jetzt ausgeblendet, wie sehr eine vollendete Klimakatastrophe sozial Schwache treffen würde, während die Eliten wahrscheinlich hoffen, sich irgendwo auf diesem Planeten vor dem Klima verstecken oder auf einen anderen Planeten in der Nähe retten zu können. Jeff Bezos privates Raumflugprogramm könnte so gedeutet werden.

Abgesehen davon, daß eine harte Bremse jetzt angenehmer wäre, als eine solche im Angesicht einer nicht mehr kalkulierbaren Zukunft, könnte der Umbau unserer Lebensweise auf eine mit diesem Planeten kompatible auch so gestaltet werden, daß die Menschen nicht von Veränderungen abgeschreckt werden, die der Rettung des Klimas dienen. Eine Politik für's Klima müßte nur gewollt sein. Politik müßte für alle Menschen und nicht nur für die Eliten gemacht werden. Leider ist dies über Jahrzehnte so gelaufen.

Wir könnten mit dem anfangen, wovon die Menschen unmittelbar etwas haben. Wir könnten sofort anfangen, unsere Städte zu begrünen. Leider ist hier in Berlin das Gegenteil der Fall: Mit der Amtsübernahme von Frau Giffey als Berliner Bürgermeisterin wurden in meiner unmittelbaren Umgebung zwei Kiezoasen abgeholzt, in der weiteren Umgebung zwei weitere. Würde es sich angenehmer wohnen, könnten Verkehrsberuhigung und Tempolimit mit weniger Widerstand eingeführt werden, weil die Menschen sehen, daß sie nicht nur verzichten müssen, sondern auch etwas dafür bekommen.

Ein bundesweiter Mietendeckel und die Vergesellschaftung großer Wohnungsbaukonzerne könnte bei allen Menschen Vertrauen in die Politik und in eine lebenswerte Zukunft aufbauen. Auch hier wird es in Anbetracht der starken Immobilienlobby nicht ohne Gerichte und viel bürgerliches Engagement gehen. Letztlich müßte für jeden Menschen eine nicht hinterfragbare materielle Grundlage für das Existenzrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit durchgesetzt werden. Stattdessen haben wir ein paar Ultra-Superreiche, die immer reicher werden und immer mehr Menschen, die von der Hand in den Mund leben. Dabei reicht es für viele auf diesem Planeten nichteinmal für ausreichend Nahrung, ein Dach über dem Kopf, sauberes Trinkwasser oder eine Toilette. Als Hoffnungsschimmer gibt es Wohlhabende, die durchaus bereit wären, durch höhere Besteuerung ein wenig zu mehr Gerechtigkeit beizutragen. Eine ähnliche Initiative entstand bereits 2011, zu Zeiten der Occupy Wallstreet Bewegung.

Die Verteuerung von Produkten (durch nachhaltige Produktion) könnte durch erhöhe Regelsätze der Sozialleistungen ausgeglichen werden, zumal das eine wirkungsvolle Wirtschaftsförderung darstellt. Oder wie wäre es mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen, noch mehr Wirtschaftsförderung, statt Entmündigung durch ein menschenunwürdiges Bestrafungssystem?

Lokale Kleinbetriebe und der Mittelstand müßten gefördert werden, statt nur davon zu sprechen. Die Anzahl der Autos müßte durch Carsharing verringert und eine Förderung von eAutos beim Neukauf eingeführt werden, erst Recht da, wo es zum Auto noch keine Alternative gibt. Nicht zuletzt müßte die nachhaltige Energieproduktion schnellstens ausgebaut werden.

Beim "Fördern" geht es nicht nur um den Einsatz von Geld, sondern um bessere Gesetze und den Abbau von behindernder Bürokratie. Nachhaltige Energien sind auf dem Markt, der angeblich alles selber regelt, längst günstiger als fossile Energie. Windkraft ist die günstigste Art, Energie zu gewinnen. Das Beispiel des Windparks Coesfeld zeigt, daß dies mit Zustimmung und Beteiligung der lokalen Bevölkerung möglich ist. Und was kostet der angeblich so billige Atomstrom (PDF-Link)? Wie will mensch das Betriebsrisiko von AKWs und das unlösbare Atommüllproblem einpreisen?

An dieser Stelle müßte ich eigentlich eine komplexe Wirtschaftsabhandlung verfassen. Eine nachhaltige Gesellschaft müßte so eingerichtet werden, daß nicht nur die Rohstoffe zirkulieren, also recycled werden und daß die Produkte nachhaltiger, also dauerhafter und reparierbarer werden. Auch das Geld müßte hier bei uns zirkulieren und die Gewinne dürften nicht an die großen "offshore" Firmen abfließen. Darüber haben sich schon viele Leute den Kopf zerbrochen und es wurde auch praktisch gezeigt, daß es funktioniert. Zum Beispiel mit dem Chiemgauer. Eine Balance zwischen regionaler und globaler Wirtschaft wäre sicher von Nöten, aber die Wirtschaft sollte den Bedürfnissen aller Menschen und deren Versorgung mit Gütern und nicht der individuellen Profitmaximierung ohne jegliches moralisches Maß dienen.

Ich müßte in meiner Abhandlung alle existierenden Bemühungen für eine bessere Welt aufzählen und in einen Zusammenhang bringen, den jeder erkennen kann. Ich müßte den kompletten Umbau unserer Gesellschaften beschreiben und würde dabei sicher auch Fehler machen. Z.B. denken wir oft viel zu Erste Welt-zentrisch. Meine Denkfehler würden jedoch den Sinn des Ganzen nicht in Frage stellen, wenn der Wille zur Veränderung da wäre und wenn immer mehr Menschen darüber nachdenken würden, wie wir nicht nur das Klimaproblem lösen können.

Den Willen zur Veränderung in der Politik müssen wir leider durchsetzen, d.h. mühselig erstreiten. Appelle genügen nicht und dafür ist diese Klage ein gutes Mittel, einen kleinen oder vielleicht sogar größeren Schritt voran zu kommen.

In der Klageschrift heißt es, Deutschland könnte mit gutem Beispiel voran gehen. Das heißt, wir können das Klimaproblem zwar nicht allein lösen, aber es macht einen Unterschied, wenn jemand ernsthaft damit anfängt und andere ermutigt, das Gleiche zu tun.



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© Finanzwende. Mit freundlicher Genehmigung.


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Erstellt: 3. Februar 2022 19:55
Geändert: 3. Februar 2022 19:55
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