Initiative Pro Netzneutralität

Das Politikum um die Friedenstatue in Moabit

12. April 2022 22:03

Friedensstatue von Kim Seo-kyung und Kim Eun-sung. Foto © Zacke 2022

Heute empfehle ich die Lektüre eines Artikels von Dorothea Mladenova, der am 15.02.22 auf Japan Focus veröffentlicht wurde. Es ist nicht der erste Artikel den ich las, der etwas mit "Comfort Woman" (Trostfrauen) für japanische Soldaten zu tun hat. Leider wird dieses Thema von anderen Medien viel zu selten aufgegriffen.

Die beschönigende, international gebrauchte Umschreibung Trostfrauen bezeichnet Zwangsprostituierte. Vielleicht wurde der Begriff in Japan geprägt. Angeblich sollen sie ja ihren "Dienst" freiwillig geleistet haben. Sie wurden, wie betroffene Frauen berichteten, mit falschen Jobversprechen für diese "Tätigkeit" rekrutiert.

Die Autorin merkt zum von mir verwendeten Begriff Zwangsprostitution an, daß unter Historikern und auch in der AG Trostfrauen noch viel gestritten wir, welcher Begriff der passendste ist. Der UN-Bericht von 1996 (PDF-Link) geht von sexueller Sklaverei aus.

Obwohl der Artikel für meine Blogverhältnisse relativ lang ist, erwägte ich, ihn zu übersetzen, falls ich die Rechte dafür bekäme. Doch da die Autorin an der Uni Leipzig unterrichtet, nahm ich zu ihr direkten Kontakt auf und sie erstellte eine Deutsche Fassung. Mein Dank gilt hier nicht nur ihr, sondern auch der akademischen Infrastruktur, die das so einfach ermöglichte.

So wie die - aus in Japan gesammelten Münzen gegossene - Friedensglocke im Volkspark Friedrichshain die Atombombenabwürfe auf Japan memoriert, soll diese Statue für Gewalt gegen Frauen nicht nur im Krieg stehen. Sie wurde vom südkoreanischen Künstlerpaar Kim Seo-kyung und Kim Eun-sung geschaffen, da ein Großteil der Frauen Koreanerinnen waren. Sie kamen aber aus vielen Ländern, inklusive aus Japan.

Wie von der Friedensglocke gibt es von der Statue weltweit viele Exemplare. Davon allein vier in Deutschland, zu Teil aber auf privatem Grund. Im Text wird erklärt, daß der Kontext des Ortes auch am dem mitschreibt, was die Statue darstellt. Ist sie also mit ihrem asiatischen Gesicht Multikulti? Wenn, dann aber eher das östliche, als das Kreuzberger. Warum haben dann manche offenbar Probleme mit dem asiatischen Gesicht, wo doch neben vielen Türken auch sehr viele Asiaten zum typischen Berlin gehören?

Hautfarben bei Emojis, mögen auf den ersten Blick übertrieben erscheinen, aber Überlegungen, inwieweit wir immer noch Denkmuster des Kolonialismus perpetuieren, sind es wert angestellt zu werden. Der Mensch als Weißer, meistens auch männlich, dominiert weltweit. Weiße, eher europäisch oder amerikanisch anmutende Frauengestalten, tauchen sogar in der japanischen Werbung auf. Das sehe ich immer wieder auf den Webseiten diverser japanischer Fotografen. Aber auch in afrikanischen Ländern ist weiße Haut scheinbar besser. Deshalb wenden dort viele Frauen gesundheitsschädliche Cremes zur Hautaufhellung an. Und in Indien sollen, wie mir die Autorin schrieb, Menschen mit dunklerem Teint signifikant schlechtere Chancen auf dem Heiratsmarkt haben.

Detail Friedensstatue von Kim Seo-kyung und Kim Eun-sung. Foto © Zacke 2022
Die meisten Probleme mit dieser Statue in Berlin hat die japanische Botschaft, weil sie nur die "Trostfrauen" und die bisher immer noch nicht offiziell eingestandene Schuld des japanischen Staates in ihr gesehen sieht. Weltweit wehrt sich Japan gegen die Aufstellung dieser Statuen und gegen die Erinnerung an seine Verbrechen im sogenannten zweiten Weltkrieg. Auf der anderen Seite hat diese Statue eben nicht nur als symbolische Darstellung einer wohl recht jungen Zwangprostituierten, sondern als Friedenstatue eine allgemeine, und als Darstellung einer betroffenen Frau, für die Frauenbewegung eine besondere Bedeutung. Gewalt gegen Frauen ist ubiquitär.

Die Symbolik der Statue ist sehr komplex und geht über die bloße Abbildung einer Zwangsprostituierten weit hinaus. Die Autorin beschreibt neben den verschiedenen Bedeutungen der Statue für verschiedene Gruppen die vielschichtigen, mit ihr verbundenen Diskurse und Konflikte. Dieser Vielschichtigkeit wird mein Beschreibungsversuch nicht gerecht und es ist auch nicht meine Absicht, eine Zusammenfassung des Textes anzubieten, die ein Lesen des Originals erübrigt. Sie müssen den Text mit seinen fast 30 Seiten schon selber lesen und er ist es wirklich wert.

Zehn Tage nach Aufstellung der Statue wurde die dafür gewährte Genehmigung durch die zuständige Bezirksverwaltung Berlin Mitte aufgrund des diplomatischen Drucks Japans widerrufen. Unter öffentlichem Druck von an der Aufstellung beteiligten Organisation, Demonstrationen und viel Solidarität, u.a. auch von in Berlin lebenden japanischen Künstlern, knickte der Bezirk erneut ein und widerrief den Widerruf der Genehmigung. Damit hat die Statue aber noch keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, denn die ursprüngliche Genehmigung galt nur für ein Jahr und ist, ohne Aussicht auf eine weitere Verlängerung, um nochmal ein Jahr verlängert worden. Das wäre bis zum 28. September 2022. Außerdem gibt es neben dem Beschluß des Bezirks, zugunsten der dauerhaften Erhaltung der Statue, einen der FDP zu "verdankenden" Beschluß, ein weniger kontroverses Denkmal zu sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten aufzustellen.

Worauf soll das hinaus laufen? Die FDP-verwässerte Statue an einem prominenten Ort und die Friedensstatue irgenwo versteckt, wo nicht viele Menschen hin kommen?

Bei meinen beiden Versuchen, die Friedensstatue einigermaßen gut zu fotografieren, wunderte ich mich, daß sie anscheinend nicht dem männlich jugendlichen Schmiervandalismus zum Opfer fällt. Sie wird laut Text von den Initiatoren gepflegt. Es soll auch möglichst oft ein Ansprechpartner vor Ort sein. Bei meinem ersten Versuch kam ein Mann vorbei und schenkte der Statue eine gelbe Narzisse. Gerne hätte ich die Statue mit der Mütze fotografiert, welche ihr die Omas gegen Rechts für die Kälte spendierten.

Diese Statue ist bitter nötig. Es gibt eine hohe Dunkelziffer von häuslicher Gewalt gegen Frauen und im Krieg ist sexuelle Gewalt gegen Frauen seit jeher ein Mittel der Wahl. Aktuell geschieht dies in der Ukraine durch russische Soldaten. Aus so gut wie allen Kriegen gibt es entsprechende Berichte, so auch aus dem anhaltenden Krieg in Syrien. Was syrische Soldaten syrischen Frauen angetan haben, war hier bei uns nicht von großem Interesse. Immerhin ist bekannt, daß das von Assad erst großgezogene Monster Islamischer Staat jesidische Frauen verschleppt und sexuell versklavt hat. Deshalb wundert auch nicht, daß sich Menschen jesidischer Herkunft für die Friedenstatue in Berlin stark machen.

Funfact: Es gibt zwei transportable Version der Statue aus Plastik, von denen eine mit dem Zug nach Berlin reiste und auf einem Rollstuhl an einer Demo teilnahm. Auch darüber schreibt die Autorin. Lesen Sie bitte die deutsche Version (PDF-Link) von Dorothea Mladenovas Artikel.


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Link zum original Artikel auf Japan Focus:
The Statue of Peace in Berlin: How the Nationalist Reading of Japan’s Wartime "Comfort Women" Backfired
https://apjjf.org/2022/4/Mladenova.html
Japan Focus auf Twitter: @apjjf

Uniseite von Dr. des. Dorothea Mladenova:
ドイツ ライプチッヒ大学 東アジア研究所 日本学科
https://www.gkr.uni-leipzig.de/personenprofil/mitarbeiter/dorothea-mladenova

Die Friedensstatue online:
https://trostfrauen.de

Korea-Verband e.V.:
https://www.koreaverband.de/
Twitter: @koreaverband

Omas gegen Rechts Berlin:
https://omasgegenrechts.berlin
Twitter @OMASGEGENRECHTS


Ergänzung:

Vortrag vom 05.04.2022 im Rahmen der Reihe "Postkoloniale Erinnerungsarbeit und transnationaler Feminismus" zusammen mit Prof. Dr. Steffi Richter: Umkämpfte Geschichte, geteilte Vergangenheit. "Trostfrauen" und sexuelle Gewalt in Ostasien.
Auf Youtube ansehen: https://youtu.be/NoZ7zRNpK68

Nachdem an verschiedenen Orten russische Botschaften mit roter Farbe, bzw. Theaterblut markiert oder Gartenteiche rot eingefärbt wurden, haben nun Frauen am 13.04.2022 vor der russischen Botschaft in Tallinn Estland eine bizarre Protestaktion durchgeführt. Youtube: https://youtu.be/tqQTmur1IJY


Noch bis zum 11.10.2022 kann eine Petition für den Verbleib der Friedensstatue unterzeichnet werden:



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Erstellt: 12. April 2022 22:03
Geändert: 12. Mai 2022 12:42
URL: http://blog.ufocomes.de/index.php?id=159