Initiative Pro Netzneutralität

Gehört Roboterbienen die Zukunft?

11. Februar 2017 19:20

Autor: Dave Goulson, 07.02.2017, University of Sussex
Übersetzung: BrunO


Lasioglossum birkmanni
Lasioglossum birkmanni © Foto: USGS Bee Inventory and Monitoring Lab - Public Domain

In den vergangenen Jahren sind zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht worden, in denen die Möglichkeit diskutiert wird, kleine Flugroboter als Ersatz für Bienen zu entwickeln, um Nutzpflanzen zu bestäuben. Plumpe Prototypen wurden erprobt und haben offenbar im Prinzip funktioniert. Wenn Pflanzen auf diese Weise bestäubt werden könnten, bräuchten sich Bauern keine Sorgen zu machen, daß sie mit ihren Insektiziden Bienen schädigen. Sind diese kleinen Roboter eventuell eine Lösung, wenn wildlebende Bienenpopulationen aussterben?

Zwar verstehe ich die intellektuelle Herausforderung, kleine Roboterbienen zu bauen, doch nach meiner Ansicht ist es reichlich unwahrscheinlich, daß wir jemals so etwas billiges oder wirkungsvolles wie die Bienen selbst herstellen könnten. Bienen haben seit über 120 Millionen Jahre existiert und Blüten bestäubt; sie haben sich dabei zu höchster Perfektion entwickelt. Es zeugt von bemerkenswerter Überheblichkeit zu denken, wir könnten dies noch besser machen. Denken wir nur an die Dimensionen; es gibt weltweit ungefähr 80 Millionen Bienenstöcke, in jedem befinden sich von Frühjahr bis Sommer vielleicht 40 Tausend Bienen. Das sind 3,2 Billionen Bienen. Sie ernähren und vermehren sich, ohne daß dies etwas kostet und geben uns Honig als Bonus. Wieviel würde es kosten, sie durch Roboter zu ersetzen? Selbst wenn diese Roboter inklusive Stromversorgung und Steuerung zu einem Stückpreis von einem Penny [ca. 1,7 Cent] hergestellt werden könnten (was absurd optimistisch erscheint), würde es 32 Milliarden britische Pfund [ca. 37.6 Milliarden Euro] kosten, sie herzustellen. Und wie lange würden sie halten? Einige würden nicht funktionieren, einige würde der Regen außer Betrieb setzen und einige würden durch Wind oder Spinnengewebe beschädigt. Wenn wir sehr optimistisch eine Lebensdauer von einem Jahr annehmen, bedeutet dies, jedes Jahr 32 Milliarden Pfund auszugeben (und die Umwelt kontinuierlich mit Billionen kleiner Roboter zu belasten, es sei denn sie könnten biologisch abbaubar gemacht werden). Und wie sähen die Umweltkosten ihrer Herstellung aus? Welche Ressourcen wären nötig und welche CO2-Bilanz würden sie haben? Mit echten Bienen haben wir diese Probleme nicht; sie vervielfältigen sich von selber, sie versorgen sich selbst mit Energie und sie sind im Wesentlichen CO2-neutral.

Einen weiteren wichtigen Aspekt habe ich im Vorausgegangenen unter den Tisch fallen lassen. Die Bestäubung wird nicht einzig von Honigbienen vollbracht. Zahlreiche andere Insekten bestäuben Nutz- und Wildpflanzen. Dazu gehören Schmetterlinge, Käfer, Motten, Fliegen, Wespen und viele andere. Diese gibt es in allen möglichen verschiedenen Formen und Größen, an unterschiedlichste Blüten angepaßt. Gemittelt auf verschiedene Pflanzen, tragen Honigbienen bestenfalls ein Drittel zur Pollination von Nutzpflanzen bei. So müßten wir nicht nur 3,2 Billionen Honigbienen ersetzen. Wir müßten ebenfalls unzählige Billionen anderer Insekten ersetzen. Alle Kreaturen müßten ersetzt werden, welche bisher den Service der Pollination kostenlos bereitgestellt haben.

Das Verschwinden der Bienen ist Symptom eines größeren Problemes. Es sind nicht nur Bienen die aussterben; nahezu die gesamte Tierwelt ist aufgrund des massiven Verlustes an Lebensraum und weltweiter Umweltverschmutzung vom Artensterben betroffen. Selbst wenn wir davon ausgehen, daß wir Roboterbienen derart günstig herstellen könnten, daß sie Sinn machen würden - sollten wir dies dann tun? Wenn Landwirte nicht länger wegen der Schädigung von Bienen Rücksicht nehmen müßten, könnten sie vielleicht noch mehr Pestizide sprühen. Aber es gibt viele andere nützliche Lebewesen, die auf bewirtschaftetem Land leben und die zu Schaden kämen; Marienkäfer, Schwebefliegen und Wespen, die Schädlinge angreifen, Würmer, Mistkäfer und Tausendfüßler, die mithelfen, Nährstoffe wiederzuverwenden und den Boden gesund zu halten und etliche andere. Werden wir auch Roboterwürmer und Robotenmarienkäfer herstellen? In was für einer Welt würden wir uns mit ihnen wiederfinden?

Müssen wir immer nur nach technischen Lösungen für Probleme suchen, die wir selber verursachen, wenn es einfache, natürliche Lösungen direkt vor unseren Augen gibt? Wir haben bereits wunderbar effiziente Pollinatoren. Sorgen wir uns um diese, anstatt dafür zu planen, wenn es sie nicht mehr gibt.

Quelle der englischen Originalfassung:
http://www.sussex.ac.uk/lifesci/goulsonlab/blog/robotic-bees
Für diese Übersetzung gilt das Lizenzmodell dieses Blogs ausdrücklich nicht. Alle Rechte verbleiben beim Autor. Ich danke für die Genehmigung einer Übersetzung.




Dave Goulson ist an der Universität von Sussex Professor für Biologie (Evolution, Behaviour and Environment) und Director of Research and Knowledge Exchange (School of Life Sciences). Eine Liste seiner zahlreichen Veröffentlichungen finden Sie Goulson Lab. Darunter sehr populäre Bücher, die es zum Teil auch in deutscher Übersetzung gibt. Er besitzt in Frankreich ein ehemaliges landwirtschaftliches Anwesen, auf dem er Insekten und Getier aller Art ein Refugium bietet. Wer ihm auf Twitter (@DaveGoulson) folgt, wird gut über sein Fach informiert und ebenso unterhalten.

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Erstellt: 11. Februar 2017 19:20
Geändert: 14. Oktober 2020 21:06
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