Initiative Pro Netzneutralität

Rückblick auf ein Arbeitsleben

29. Oktober 2020 23:28

Der Text ist ein wenig lang...


© Zacke
Was mein Leben angeht, blicke ich mit 66 noch nicht zurück, sondern nach Vorne. Mein Arbeitsleben habe ich jedoch abgeschlossen und beziehe Grundsicherung, da ich von meiner Rente nicht leben könnte. Mir werden nach allen Abzügen 385,05 Euro Rente ausgezahlt. Ich stelle mein Arbeitsleben als Beispiel für ähnliche Erfahrungen zur Diskussion.



Es folgt eine nicht ganz chronologische Schilderung meiner sogenannten Karriere:

Ich weiß leider nicht mehr, ob ich mal Lokführer, Pfarrer oder Bankräuber werden wollte. Als ich das Alter erreichte, in dem ich dies hätte entscheiden können, hatte ich wenig Optionen. Mein Vater wollte, daß ich BWL studiere und seine Firma übernehme. Er machte Hausverwaltungen im großen Stil und ich arbeitete probehalber ein halbes Jahr bei ihm mit. Für mich, nicht für ihn! Es gefiel mir nicht und ich wollte eigentlich nicht studieren.

Die Bundeswehr wollte gerade, daß ich der damaligen Wehrpflicht nachkomme und die Wehrbereichsverwaltung wollte mich nicht als Kriegsdienstverweigerer anerkennen. Nach der damaligen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts war absolute Gewissensnot Voraussetzung zur Anerkennung. Mensch durfte also nicht rational gegen Militär argumentieren, was ich tat. Jahrzehnte später erfuhr ich aber, daß die Prüfungsausschüsse tägliche Quoten hatten und daß somit Antragssteller auch unabhängig von ihrer Argumentation nach Überschreitung der Quote nicht anerkannt wurden.

Ich mußte mir damals wegen meiner Kriegsdienstverweigerung sehr viele Gedanken machen. Dies hat mich und andere sehr politisiert, obwohl wir in der Provinz und im Ländle, fernab der verebbten Protestbewegung der 68er aufwuchsen.

Ich hatte mir nach diesem Nachdenken alles sehr schön zurecht gelegt und mich in einer Einrichtung für geistig Behinderte vorgestellt. Ich wollte dort meinen Zivildienst ableisten und daraus vielleicht sogar einen Beruf machen. Dieser selbst gewählte, mit sehr viel Idealismus aufgeladene Berufsstart wurde mir versagt und für mich entstand Leerlauf, da ich auf die nächste Verhandlung warten mußte. Diese Geschichte sollte sich durch weitere Instanzen erfolglos bis zum Bundesverwaltungsgericht hinziehen.

Ich fing an, doch zu studieren. Allerdings nicht wie von mir gewünscht Psychologie in Bremen, dazu wäre ein besserer Numerus Clausus nötig gewesen, sondern Diplom-Sozialwissenschaften an der Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg. Das war eine schöne Zeit von ca. 5 Jahren und ich hörte lange nichts von der Bundeswehr.

Einen Abschluß machte ich in der Zeit nicht, obwohl ich fast fertig war. Das Fach lag mir zwar, aber ich wußte selber nicht, wozu es später gut sein sollte und war falsch beraten. Außerdem hatte ich mich zeitlich ein wenig verkalkuliert. Als ich vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen die Bundesrepublik Deutschland unterlag, den Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigern zu dürfen, sollte ich plötzlich eingezogen werden. Stolz war ich trotzdem, mich vor diesem hohen Gericht selber vertreten und zumindest in der Verhandlung behauptet zu haben. Im Nachhinein sagte mir ein Anwalt, ich hätte eher möglichst schnell einen Abschluß machen, in ein wissenschaftliches Projekt einsteigen und mir ein Unabkömmlichkeitsgutachten ausstellen lassen sollen. Danke dafür, dies erfahren zu haben, nachdem es zu spät war.

Ich zog es vor, mich nach Berlin abzusetzen. Einer von Vielen damals. Diese Zeit war lange mit Alpträumen verbunden und ich war auf der vom Osten umzingelten Insel eingesperrt. Ich bekam anonyme Post, melden Sie sich bitte unter diesen Nummer bla-bla... An der Freien Universität konnte und wollte ich nicht Fuß fassen. Mir wurde zu wenig meiner bereits erworbenen Studienleistungen anerkannt.

Ich jobbte gelegentlich als Löter und als meine Eltern jegliche Zahlungen einstellten, übernahm mich ein großzügiger Chef. Das war Anfang der 80er Jahre.



Der Traum vom Rockstar

Parallel zum bürgerlichen Arbeitsleben hegte ich den Traum, Profimusiker zu werden. Ich hatte schon zu Schulzeiten eine Band und auch in Oldenburg spielte ich in einer, die aber zeitgleich mit meiner Flucht nach Berlin auseinander fiel. In Berlin beschränkte ich mich darauf, Songs zu schreiben und diese ohne Band allein spielen zu können. Auch liebäugelte ich mit einem Home Recording Studio, um alles selber aufzunehmen. Dann hätte nur noch der Hit gefehlt.


© Zacke
Leider mochte ich keine Hits, sondern wollte nur meine Musik spielen, die sich nicht am gängigen Kommerz orientierte. Daß ich damit in Berlin Einer von ganz Vielen war, wußte ich recht gut. So blieb es beim Träumen von als Traum erkannten Träumen und bei ganz wenigen Auftritten in Kneipen und auf U-Bahnhöfen.

Wäre der Fall der Mauer nicht dazwischen gekommen, hätte ich heute vermutlich eine recht gute Rente und eine lange, relativ schöne Zeit verbracht. Aber plötzlich gab es Konkurrenz aus dem Osten. Menschen die vor dem Nichts standen, gründeten neue Firmen und unterboten jeden Preis. Plötzlich brachen uns Aufträge weg und wir standen vor der Pleite.

Ich verließ die Firma, u.a. weil ich andere Vorstellungen von der anvisierten Krisenbewältigung hatte und versuchte tatsächlich, eine Weile von Straßenmusik zu leben, bis ich bei der Post anfing, nachts Briefe zu sortieren. Ich wurde sogar so etwas wie ein Vorarbeiter und hatte eine Weile in einem benachbarten Zustellstützpunkt bis morgens um Sechs die alleinige Aufsicht. Ich kehrte aber wegen zu viel Streß wieder auf meine alte Stelle zurück. Das ging tatsächlich. Problem war später ein neuer Chef, der mich weg mobben ließ. Das hatte ich nie verstanden, aber ich war zu Zeiten eines Einstellungsstops auf eine Sonderstelle eingestellt worden und diese für ihn überflüssige Stelle wollte der neue Chef, der sich bewähren mußte, natürlich möglichst schnell wieder los werden. Dies hatte wieder einmal nichts mit meiner Person zu tun.



Warum nicht selber Unternehmer werden?

Einen dritten Strang meines Karrierestrebens kann ich zeitlich nicht mehr genau in meine Schilderung einbauen. - Ich versuchte auch, mich selbständig zu machen, wurde dazu bei der Industrie und Handelskammer vorstellig und erhielt die offizielle Genehmigung, Spulen wickeln zu dürfen. Es ging um Tonabnehmer für elektrische Gitarren, die sogar recht gut waren, da ich mit neuartigen Materialien und in Ermangelung von Produktionsanlagen mit anderen Herstellungsmethoden experimentierte. Leider hat mir dies eine inzwischen wieder abgeklungene Styrolallergie eingebracht, die mich zehn Jahre lang plagte.

Zwecks Feedback hatte ich ein paar Muster verschickt und spielte jahrelang mit meinen selbst hergestellten Pickups. Ich entdeckte sogar eine Marktnische: Tonabnehmer für türkische Lauten (Manyetik Saz için). Auch da kam ich über den Status von Prototypen nicht hinaus. Vielleicht hätte ich mich mit Leuten mit ähnlichen Ideen zusammentun und wie es neudeutsch heißt, ein Startup gründen sollen. Vielleicht, vielleicht, auch die ganzen Ich-AGs haben nur wenige Unternehmer hervorgebracht.



Wie wäre es mit IT?

Nachdem ich bei der Post Dank Unterstützung einer Gewerkschafterin wenigstens mit einer Abfindung aufhörte, verbrachte ich ein ganzes Jahr zu Hause und mit Jobsuche. Ich stellte mich öfter persönlich vor. Es gab jedoch nicht all zu viele gute Jobs zum Bewerben und außerdem darf mensch bei der Bewerbung auf minder qualifizierte Jobs leider nie erwarten, finanziell wieder das zu bekommen, was er oder sie zuletzt hatte. Daraus machen die Jobcenter ganz schnell den Vorwurf, nicht arbeiten zu wollen. Dabei sind die großen Absahner jene, die etwas lassen, weil es sich nicht rechnet. Warum darf das der arbeitende Mensch nicht? - Weil er oder sie in der schwächeren Position ist! Und damit der Mensch immer ausbeutbar bleibt, wird es nie ein bedingungsloses Grundeinkommen geben.

Obwohl ich mich erst nach einem Jahr arbeitslos meldete, gab das keinen Ärger, wohl mußte ich aber ab da an allen möglichen Maßnahmen teilnehmen. Wie mensch sich bewirbt, wie mensch MS-Word bedient usw. Es waren auch lehrreichere Maßnahmen dabei, aber keine brachte mich einem Job näher.

Schließlich erkämpfte ich mir eine Umschulung zum Fachinformatiker. Günstigerweise standen Wahlen an und die Arbeitslosenzahlen sollten möglichst niedrig gedrückt werden. Die Umschulung war pädagogischer Unfug. Der Stoff- oder Lehrplan sah so aus, wie gerade Dozenten aus dem Pool zur Verfügung standen und wir wurden im Schweinsgalopp durch den Stoff gejagt. Trotzdem glaubte ich bis zuletzt an den Sinn. Oder ich hoffte. Erst als ich für einen Praktikumsplatz Türklinken putzen mußte, wurde mir klar, daß diese Umschulung eher dem Träger und dem Jobcenter, nicht aber mir was bringt. Ich fand keine gute Stelle, da die Firmen lieber besser qualifizierte Absolventen von den Unis haben wollten. Auch herrschte damals das Praktikumsunwesen, dem erst später durch Gesetze Einhalt geboten wurde. Es gab eine Menge gut ausgebildeter Leute, die von einem zum anderen Praktikum hangelten und nie eine Stelle angeboten bekamen.

Während ich noch in der Umschulung war, mußte ich nicht nur aus Altersgründen meinen Traum begraben, irgendwann irgendetwas professionell mit Musik zu tun zu haben. Ich hatte schlichtweg keine Zeit mehr, meine ca. 100 Songs regelmäßig zu üben. Leider habe ich nur die Texte auf Papier und die Musik nur als grobe Taktschemen mit Akkorden notiert. Obwohl Studio Equipment in meiner Wohnung herum stand, habe ich die Songs nie aufgenommen. Wenig Zeit hatte ich allein aufgrund des langen Weges nach Hennigsdorf und von dort zurück.

Auf dem Weg zu meiner Praktikumsstelle saß ich noch länger in der Bahn. Täglich ca. vier Stunden. Zum Musikmachen blieb keine Zeit mehr. Ich gab das Gitarrespielen ganz auf. Zudem hatte mein Gehör Schaden genommen. Ungefähr seit dem Kollabieren des DDR-Arbeiter- und Bauernzoos habe ich einen Tinnitus und zeitweilig mochte ich gar keine Musik, nichtmal die Eigene!

Leider war ich für mein Praktikum in eine Firma geraten, die gerade den Bach runter ging. Hinzu kam ein interner Betrugsfall und mich holte meine alte, an sich auskurierte Bronchitis wieder ein. Ich brach das Praktikum und die Umschulung ab. Eine Sachbearbeiterin des Jobcenters erzählte mir von ihrem Sohn, der viel besser als ich geraten wäre und brüllte mich an. Ich brüllte noch lauter zurück und mußte später zu einer Psychologin, die einen Burnout oder dergleichen diagnostizierte. Somit war ich für die versemmelte Umschulung nicht regreßpflichtig.

Eine kleine Erfolgsbilanz der Umschulungsmaßnahme zum Fachinformatiker möchte ich nicht vorenthalten. Die Zahlen sind Hausnummern, die ich nicht mehr ganz exakt erinnere. Die Ausbildung kostete etwa 36.000 DM pro Person. Von 25 Teilnehmern schafften 7 die Prüfung. Ein paar wenige waren wie ich vorher abgesprungen. Von den Erfolgreichen hatten zwei Jahre später 3 einen Job.



Ist Dauerarbeitslosigkeit eine Berufung oder gar ein Beruf?


© Zacke
2003, nach Abbruch der Umschulung stand ich wieder ohne Aussicht auf einen Job da. Meine Dauerarbeitslosigkeit sollte erst um 2014 herum enden. Ich möchte mich hier ausdrücklich bei Guido Westerwelle, Wolfgang Clement und Herrn Thilo Sarrazin für die Diffamierung von Arbeitslosen bedanken. Herr Westerwelle wurde damals von ein paar Arbeitslosen wegen Beleidigung angezeigt, ich hatte leider keinen Mumm dazu. Er verglich die nicht gerade üppigen Hartz IV Regelungen mit einer Einladung zu spätrömischer Dekadenz. Für Herrn Clement waren Arbeitslose Parasiten und Herr Sarrazin wollte Arbeitslosen eine Abmagerungskur verordnen. Natürlich gibt es in jedem Bereich der Gesellschaft Menschen, die betrügerisch eine Situation für sich ausnutzen. Alle drei haben aber generalisiert und dies allen Hartzis unterstellt.

Ich hatte mich damit arrangiert, daß richtig bezahlte Jobs im Moment für mich nicht verfügbar sind und daß die Maßnahmen des Jobcenters absolut nichts mit dem ersten Arbeitsmarkt zu tun haben. Dafür lebte der kulturelle Bereich von der Arbeit von Ein-Euro-Jobbern. Das Jobcenter war also der größte Kunst- und Kulturförderer. Kann sein, daß dies auch für den sozialen Bereich zu traf, aber da war ich nicht tief genug drin.

Ich machte diverse Ein-Euro-Jobs und Ehrenämter. Ein Ehrenamt fand in der Szene der Patienten-Selbsthilfe statt. Ich arbeitete für einen vielgelesenen Blog als Übersetzer. So lernte ich medizinisches Englisch. Ich verfaßte auch ein paar eigene Artikel. Es ging um Umwelterkrankungen oder sogenannte seltene Erkrankungen, mit denen die Schulmedizin nicht klar kommt. Eine davon gerät gerade als eine der möglichen Langzeitfolgen von Covid19 in den öffentlichen Fokus: ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronic fatigue syndrome). Später habe ich mich noch sehr intensiv mit Hormonschadstoffen, EDCs (Endocrine Disrupting Chemicals) befaßt.

Die Stellen für meine Ein-Euro-Jobs habe ich mir zum Teil selber organisiert und wurde dabei von den Sachbearbeitern des Jobcenters unterstützt. Ich bekam aber auch gute Stellen vorgeschlagen. So z.B. ein spannendes Fotoprojekt. Die Fotos davon hingen ein paar Jahre auf den Fluren des Jobcenters in der Rudi-Dutschke-Straße. Ich war mit ein paar wenigen anderen sehr aktiv und "leitete" das Projekt mehr oder weniger. Es war eine völlig neue Erfahrung, im Jobcenter von den Kollegen der für die Ausstellung zuständigen leitenden Mitarbeiterin hofiert zu werden. Technisch und organisatorisch habe ich durch diese Ausstellung sehr viel gelernt. U.a. mußte ich als Linuxer für einen Profidrucker auf einem Windowsrechner sieben Treiber installieren, bis dieser tat, was er sollte. Ich habe alles dokumentiert und eine CD mit dem Handbuch des Druckers beigelegt. Trotzdem kam nach einem Jahr ein Anruf vom Träger, daß der Drucker nicht funktioniert.

Der nächste Ein-Euro-Job brachte mich passenderweise als Öffentlichkeitsarbeiter an das Kunsthaus ACUD. Ich hängte ein Jahr Ehrenamt an und leitet ab da das Büro des ACUD-Theaters. Da war ich auch Bühnenfotograf und Elektriker. Viele, die damals im ACUD waren, machten sich Hoffnung auf einen richtigen Job, deshalb wurde dies vom Jobcenter toleriert, obwohl mir mein Sachbearbeiter sagte, daß das Jobcenter nicht zur Förderung von Kunst und Kultur da wäre. Der Laden brummte, konnte aber kaum seine laufenden Rechnungen bezahlen.

Es war eine bunte Mischung von Menschen auch aus dem bürgerlichen Lager vorhanden. Manche blühten noch einmal richtig auf und lernten etwas Neues, da sie zuvor noch nie mit der linken Kulturszene in Berührung gekommen waren. Die meisten wurden böse enttäuscht. Doch kein fester Job und das Gefühl, nur ausgenutzt worden zu sein. Irgendwann war der Laden faktisch pleite. Auf welcher Basis er heute weiter existiert, weiß ich nicht und will ich nicht wissen.

Ich ging und fing wieder mal an, mich erfolglos auf dem ersten Arbeitsmarkt um Jobs zu bewerben. Diesmal im kulturellen Bereich. Ich fand nichts, denn plötzlich sollte ich für alles, was ich konnte, formale Qualifikationen nachweisen, die ich nicht hatte. Mensch darf in Deutschland aber gerne die selbe Arbeit unbezahlt machen.

Es folgte ein skurriler Ein-Euro-Job für zwei Monate. Ich mußte für einen Ausfall einspringen. Ich bekam mich mit den meisten anderen Teilnehmern böse in die Wolle, die lediglich wegen dem bißchen Kohle da waren und ihre Zeit möglichst ungestört absitzen wollten. Ich wirbelte, hatte ja noch die ganzen Pressekontakte vom vorausgegangen Projekt und lies die eingeschlafene Webseite aufblühen. Dankenswerterweise hat mir dabei das Festival of Lights sehr geholfen. Es war ein Projekt, das niedrigpreisige und kostenlose Freizeitangebote sammelte. Es gab ein Ladenlokal, wo jeder hinkommen und sich beraten lassen konnte. Auch das störte die Ruhe von manchen.

Auf der Webseite des Projektes gab es neben dem von mir eingerichtetem Blog mit Veranstaltungstipps ein Verzeichnis mit Hilfsangeboten jeglicher Art. Ich ergänzte diese nach Absprache mit dem Träger um medizinische Anlaufstellen für Mittellose. Damit diese jeder findet, machte ich Fotos zu den Einträgen. Ich war also überall vor Ort. Des weiteren klapperte ich alle Babyklappen Berlins ab und stellte diese ein. Ich bewertet sie danach, ob sie wirklich geeignet sind, einer verzweifelten Mutter die Möglichkeit zu bieten, ihr Kind unbeobachtet, sicher und anonym abzugeben. Einige ließen sehr zu wünschen übrig und schreckten eher ab.

Daß mensch in zwei Monaten so viel auf die Beine stellen kann, wunderte mich selber. Leider war der Träger nicht in der Lage, die Webseite auf einen anderen Webspace umzuziehen. Es war offenbar auch niemand da, sie danach zu reparieren.

Mein letztes Projekt brachte mich zum Pfad der Visionäre. Das kann sich jeder im Netz ansehen und ich möchte nichts dazu sagen.

Bisher nicht erwähnt habe ich das Heimatmuseum in Johannisthal. Dort war ich auch recht gerne. Erwog sogar, in diesen schönen Bezirk zu ziehen. Es kam anders. Es geht eben nicht gut, wenn Menschen das als Ein-Euro-Job machen müssen, wofür sie ausgebildet worden sind und womit sie jahrelang ihren Lebensunterhalt verdient haben. Wenn dann noch einer ohne Ausbildung kommt und das gleiche tun darf, oder manches sogar besser weiß, sind Konflikte vorprogrammiert. Hartz IV demütigt viele Menschen, auch dafür nochmal Danke an die Herren Schröder und Fischer.



Endlich Jobs in Sicht

Als mein Ein-Euro-Job im letzten Projekt auslief, hatte ich nicht das Bedürfnis, diesen verlängern zu lassen. Ich wußte längst, daß meine Arbeit eine angemessene Bezahlung auf dem ersten Arbeitsmarkt wert war. Auf ideelles Engagement für ein sicher gutes Projekt hatte ich keine Lust mehr.


© Zacke
Mittlerweile wandelte sich der Arbeitsmarkt. Es ging mit schlecht bezahlten Jobs aufwärts, es gab einen Mindestlohn und so wollte ich es nochmal wissen, bevor ich die Altersarmut antrete.

Eine kurze Schulung zum Callcenter-Agent mißlang. Auch wegen der Geheimniskrämerei der beklopften Firma, die es nicht zuließ, Schulungsunterlagen zum Lernen mit nach Hause zu nehmen. Deshalb waren meine paar wenigen Interaktionen mit Hilfe suchenden Kunden für beide Seiten eine Katastrophe.

In dieser Zeit schickte ich etliche hundert Bewerbungen raus und bekam viele unbrauchbare, sanktionsbewehrte Jobvorschläge vom Jobcenter. Ausgerechnet der Chef einer Verleihbude in Potsdam gab mir den richtigen Tipp. Wenn ich wieder in der Elektronikbranche arbeiten möchte, muß ich wenigstens eine kurze Qualifizierung machen.

Aus kurz wurde leider ein halbes Jahr, aber danach durfte ich mich zertifizierter SMD-Löter nennen. Wow! Gegen Ende meiner Karriere meine erste offizielle Berufsbezeichnung!

Damit fand ich wirklich Jobs! Zuerst einen kurzen in Fredersdorf, wo mich der Chef nach einem halben Jahr mit der Bemerkung verabschiedete, ich wäre keine große Hilfe gewesen. Dort gab es wieder Mobbing-Geschichten. Eifersüchtige Altangestellte machten jedem und jeder Neuen das Leben schwer. Ich bedankte mich trotzdem dafür, daß ich da arbeiten durfte, denn ich hatte eine Augenoperation hinter mir und wußte nicht, ob das mit meinen Augen nicht nur in der Qualifizierung sondern auch in einem Betrieb funktioniert. Der Herr verplapperte sich spontan: "Sie sind doch sehr geschickt!" - Nur eben keine große Hilfe?

Der nächste Job war nicht besonders gut bezahlt, hat aber eine ganze Weile Spaß gemacht. Auch habe ich da meine Lebenspartnerin gefunden. Leider war ich über Zeitarbeit da, bekam aber immerhin 10 Euro die Stunde. Als das nicht mehr ging und die Firma mich hätte übernehmen müssen, wollte ich mehr Geld haben. Daraufhin schickte mich der Betrieb zur Zeitarbeitsfirma zurück.

Es ist sowieso merkwürdig, wenn Mitarbeiter über Jahre per Zeitarbeit durchgezogen werden. Dem wurde nun gesetzlich ein Riegel vorgeschoben. Die Kunden der Zeitarbeitsfirmen haben aber einen neuen Trick parat. Sie stellen die Leute unter den gleichen Bedingungen wie die Leiharbeitsfirmen ein, ebenfalls nur befristet und bei gleicher Bezahlung. Dadurch sparen sie sogar und für die Mitarbeiter ändert sich überhaupt nichts, bis sie dann nach einer Weile, wenn wieder fest übernommen werden muß, bei immer noch gleicher Bezahlung unbefristet eingestellt werden.

Meine Zeitarbeitfirma hatte eine neue Einsatzfirma für mich. Wohl auch, weil der Personalchef mich im Gegensatz zum Chef sehr gerne behalten hätte und ein gutes Wort für mich eingelegt hatte, sollte ich dort sogar mehr Geld bekommen. Nach wenigen Tagen wurde ich jedoch wieder abgemeldet, ohne daß irgend wer mit mir gesprochen hätte. Es war eine sehr gut ausgestattete Firma mit einem riesigen Maschinenpark und mit sehr netten Mitarbeitern. Sehr merkwürdig!

Nach einer, aufgrund meines vorangeschrittenen Alters erfolglosen Vorstellung in einem kleineren, aber technisch interessanten Betrieb in Blankenburg, schickte mich meine Zeitarbeitsfirma in einen größeren Betrieb, in dem auch menschlich alles stimmte. Es war eine sehr gute Zusammenarbeit, ich bekam 12 Euro die Stunde und durfte recht diffizile Arbeiten machen. Ich gehörte zu den wenigen SMD-Reparaturlötern. Nach nichtmal einem Jahr, wurde ich am 31.03.20, meinem letzten Arbeitstag, fast wie ein Langjähriger mit einem veganen Freßkorb und einer Rede des Abteilungsleiters verabschiedet. Der Chef schenkte mir einen Amazon-Gutschein. Ich hätte da vielleicht auch ohne Zeitarbeit noch weiter arbeiten und zu meiner kärglichen Rente dazuverdienen können. Aber ich hatte mich auf die Zeit des Ruhestandes zu sehr gefreut und genieße sie auch mit wenig Kohle. Ich kann jetzt z.B. diesen Blogpost bis spät in die Nacht schreiben.



Fazit zum Rückblick auf ein Arbeitsleben


© Zacke - Schwalbenschwanzfalter (Papilio machaon) auf den Ahrensfelder Bergen
Was habe ich nun zu dieser "Karriere" zu sagen? Daß ich von Hartz IV nichts halte und für ein bedingungsloses Grundeinkommen eintrete, ist schon angeklungen und geht auch aus meinen früheren Blog-Einträgen hervor.

Im Moment läuft eine europäische Bürgerinitiative für ein Bedingungsloses Grundeinkommen in der gesamten EU. Ich empfehle, sie zu unterzeichnen. Dies kann noch bis zum 25.09.2021 getan werden. Bitte fleißig weiter verbreiten! Danke!

Ich bin auch dafür, daß Politiker für ihr Handeln im Auftrag des Wählers haften. In den USA ist ein Präsident für über 200.000 Coronatote verantwortlich, bei uns wurden Millionen Menschen arm und z.T. obdachlos gemacht. In Großbritannien bringen sich Menschen aus Verzweiflung um, weil selbst Schwerbehinderte und Todkranke im Auftrag der Regierung von einer privaten Firma als fit to work bzw. arbeitsfähig (Youtube) eingestuft werden und deshalb keine weitere finanzielle Unterstützung erhalten. Die UN hat dies gerügt, aber eine Frau May meinte dazu, alles wäre OK.

Daß ich meine Karriere auch selber vergurkt habe, spielt für mich keine Rolle (mehr). Sehr wohl aber die Frage, warum sich für unser berufliches Fortkommen alles in den frühen Lebensjahren entscheiden muß, so daß manche Eltern bereits Kleinstkinder auf Leistung trimmen, indem sie mit ihnen pauken und stupide abfragen, was sie gerade im Bilderbuch sehen. Die Kids wissen dann schon, wie Dinge heißen, die sie im wirklichen Leben noch gar nicht entdeckt haben. Vogel, Baum, Pferd, Briefkasten, Blume etc.

Ich habe öfter einen Neuanfang versucht. Nachdem ich eine Weile in meinen ersten festen Job arbeitete und noch vom Rockstar träumte, habe ich mich mit schon über Dreißig vergeblich für eine betriebliche Ausbildung beworben. Natürlich gönnte ich den Jüngeren die stattdessen genommen wurden ihre Lehrstelle.

Noch mehr frage ich mich, warum Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht für ein Studium genutzt werden dürfen. Diesbezügliche Klagen haben Arbeitslose verloren. Nach Ansicht der Jobcenter und des Gesetzgebers muß mensch als Arbeitsloser dem Arbeitsmarkt stets zur Verfügung stehen, selbst wenn dieser nichts von einem wissen will. Ansonsten gibt es kein Arbeitslosengeld. Wäre es nicht sinnvoller, wenn jene die dies wollen, damit ein Studium finanzieren könnten? Ich hätte in der Zeit meiner Arbeitslosigkeit mindesten zwei Abschlüsse nachholen können, zumal für meinen Ersten nicht viel fehlte. Dafür hätte ich aber nach Oldenburg zurück gemußt und weitere Kosten verursacht.

Ferner wäre eine verbindliche Verantwortung aller Betriebe für die berufliche Weiterbildung ihrer Mitarbeiter angebracht, statt Minderqualifizierte als billige Arbeitskräfte auszunutzen. Zeitarbeitsfirmen als Standard-Arbeitsmodell sollte es gar nicht geben. Ich erinnere mich noch bestens, wie die Gewerkschaften anfangs gegen Zeitarbeit gewettert haben, um dann später Tarifverträge mit ihnen zu machen. Daß Arbeitgeber aus Tarifverbänden austreten dürfen, sollte gar nicht erlaubt sein. Deshalb haben wir Arbeitnehmer erster, zweiter und dritter Klasse. Viele haben nichts von Tarifabschlüssen und werden niemals weiterqualifiziert, sondern bleiben ihr Leben lang Handlanger, als ob dies eine angeborene Eigenschaft wäre.

Menschen, die aufgrund von Behinderung nicht voll arbeiten können, sollten trotzdem genug zum Leben verdienen und nicht zu Allmosenempfängern degradiert werden. Niemandem sollte dies widerfahren. Es macht ökonomisch keinen Sinn. Die Wirtschaft lebt nicht von den Reichen allein, sondern von den Massen, die Geld in der Tasche haben müssen, damit die Wirtschaft etwas zu tun hat. In Anbetracht der Notwendigkeit, die Umwelt als unsere Lebensgrundlage nicht weiter zu zerstören und gesund zu erhalten, ist auch zu fragen, welchen Zielen die Wirtschaft zu dienen hat. Nur der Reichtumsanhäufung von Wenigen oder der Versorgung der Menschen mit lebensnotwendigen Gütern? Damit kommen wir sehr schnell zu grundlegenden Fragen wie Gerechtigkeit und Menschenrechte. Wenn alles wie bisher nur für die Bedürfnisse der Reichen weiter läuft, verkacken wir den Klimawandel und die Reichen werden sich auf keine Inseln retten können. Bestenfalls auf den Mars oder den Mond.



Das Bedingungslose Grundeinkommen

Es gibt eine Lösung, die den Menschen gleichzeitig von der Existenzangst befreit und sein Potential entfaltet. Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) als materielle Ausgestaltung des Existenzrechtes. Es würde die Lotterie der Geburt ein wenig abmildern und jedem Menschen bessere Startchancen bieten. In einer Gesellschaft, die auf Ausbeutung der Natur und des Menschen durch den Menschen beruht, wird dies aber schwierig zu erreichen sein.

Ich wiederhole nur kurz, was ich früher bereits ausführlicher beschrieben habe. Wenn alle Lebensressourcen privatisiert sind, schuldet mir die Gesellschaft ein Mindestauskommen, da ich nicht mehr in die Natur ausweichen und dort von meiner Hände Arbeit leben kann. Der Wald und das Land gehören bereits jemandem. Es wäre sowieso nicht effektiv, wenn jede oder jeder wieder als kleiner Bauer zu überleben versuchen würde. Das würde die Natur nicht weniger wie jetzt ruinieren. Als Menschheit sind wir reich, der Reichtum ist nur ungleichmäßig verteilt. Das Grundeinkommen wäre eine Idee, dies durch Umorganisieren und Rationalisieren der bereits gewährten Transferleistungen zu verändern, ohne jemand etwas wegzunehmen und ohne das Chaos einer zerstörerischen, blutigen Revolution zu veranstalten. Für die Finanzierung gibt es genügend Vorschläge. Es wäre nicht unfinanzierbar und als negatives Einkommensteuermodell müßte es an jene die es nicht brauchen, gar nicht ausgezahlt werden.

Das Leben ohne Existenzangst würde die Menschen ermutigen, sich zu engagieren und in die Gemeinschaft einzubringen. Es würden nicht zu viele Menschen geben, die mit einem Leben ohne Arbeit und auf niedrigem materiellem Niveau vorlieb nehmen würden. Dazu sind wir viel zu sehr eine Konsumgesellschaft. Viele würden sich etwas leisten und dazu verdienen wollen und hätten, da für ihre Existenz gesorgt ist, bei der Bewerbung um einen Job, eine viel bessere Verhandlungsposition. Menschen würden sich nicht mit Jobs die sie nicht mögen quälen, sondern mit dem was sie am besten können und am liebsten machen gute Arbeit leisten. Das Argument, daß mit einem BGE kein Mensch mehr arbeiten würde, ist ein sehr dummes und nur Ausdruck der Angst vor Machtverlust. Natürlich wäre eine solche Gesellschaft aus selbstbewußten Menschen unbeherrschbar. Aber sie könnten zusammen Großes leisten. Z.B. das Klimaproblem lösen, wozu unsere heutigen Politiker weder fähig noch willens sind, da sie auf die Lobby der Mächtigen hören (müssen).

Ein vorübergehendes Probe-BGE könnte eine Lösung für jene Probleme sein, die uns das Coronavirus gerade bereitet.

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Erstellt: 29. Oktober 2020 23:28
Geändert: 3. November 2020 20:29
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