Autoren: Jonathan Latham und Allison Wilson, 21. Januar 2013, Independent Science News
Übersetzung: BrunO
Wie soll eine Regulierungsbehörde uns beibringen, daß sie etwas entdeckt hat, das möglicherweise für die Sicherheit von Produkten welche sie seit über 20 Jahren zugelassen hat sehr bedeutend ist?
Im Verlauf einer Untersuchung, in gentechnisch veränderten Agrarpflanzen potentielle Allergene aufzuspüren, hat die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Nachhinein festgestellt, das die meisten genetischen Kontrollsequenzen in handelsüblichen gentechnisch veränderten Pflanzen auch die Kodierung eines wichtigen Abschnittes eines viralen Gens enthalten (Podevin and du Jardin 2012) [PDF]. Diese Entdeckung hat erhebliche Auswirkungen auf die Agrar-Biotechnik und deren gesetzliche Regulierung. Dies hängt damit zusammen, daß es eindeutige Hinweise gibt, nach denen dieses virale Gen (namens Gen VI) für den menschlichen Verzehr mit Gesundheitsgefahren verbunden sein könnte. Es könnte auch das normale Funktionieren der Ackerpflanzen stören, einschließlich ihrer natürlichen Widerstandskraft gegen Schädlinge.
Was Podevin und du Jardin entdeckt haben ist, daß von den 86 verschiedenen transgenen Varianten (singuläre Einfügungen fremder DNA), die bisher in den Vereinigten Staaten in den Handel gebracht wurden, 54 Teile von Gen VI enthalten. Alle sind in einer häufig verwendeten Kontrollsequenz mit der Bezeichnung CaMV 35S Promoter (des Blumenkohl Mosaik Virus/engl. cauliflower mosaic virus; CaMV) enthalten. Zu den betroffenen transgenen Varianten gehören einige der am häufigsten angebauten Gen-Pflanzen, wie Roundup Ready Sojabohnen (40-3-2) und MON810 Mais. Zu ihnen gehört auch der kontroverse NK603 Mais, von dem bekannt wurde, daß er bei Ratten Krebs auslöst (Seralini et al. 2012).
Die Forscher selbst kamen zu der Einschätzung, daß das Vorhandensein eines Segments von Gen VI “unbeabsichtigte phenotypische Veränderungen zur Folge haben könnte”. Diese Annahme lag für sie nahe, da bereits nachgewiesen worden war, daß von ähnlichen Fragmenten von Gen IV selbständige Aktivitäten ausgehen (z.B. De Tapia et al. 1993). Mit anderen Worten, die Forscher der EFSA waren nicht in der Lage, eine Gefahr für die Gesundheit der Allgemeinheit oder für die Umwelt auszuschließen.
Generell geht von in Pflanzen exprimierten [Verb zu Expression] viralen Genen sowohl für die Landwirtschaft als auch für die Gesundheit des Menschen eine Gefahr aus (erörtert in Latham and Wilson 2008 [PDF]). Der Grund ist, daß viele virale Gene ihren Wirt lahmlegen, um eine pathogene Invasion zu ermöglichen. Oft wird dies erreicht, indem bestimmte anti-pathogene Abwehrmechanismen außer Gefecht gesetzt werden. Der Einbau solcher Gene kann eindeutig zu unerwünschten und unerwarteten Resultaten in der Landwirtschaft führen. Darüberhinaus unterscheiden sich Viren die Pflanzen infizieren nicht besonders von Viren die Menschen infizieren. Beispielsweise sind manchmal die Gene von menschlichen und pflanzlichen Viren austauschbar, während in anderen Fällen das Einfügen von Pflanzenviren-Fragmente als Transgene dazu geführt hat, daß die genetisch veränderten Pflanzen für tierische Viren anfällig wurden (Dasgupta et al. 2001). Deshalb bringt das versehentliche Einbringen viraler Gene in Ackerpflanzen und in das Nahrungsangebot ein bedeutendes Gefahrenpotential mit sich.
Die Optionen der Regulierer
Die ursprüngliche Entdeckung des Gen VI in handelsüblichen genveränderten Ackerpflanzen von Podevin und du Jardin (von der EFSA) muß die Regulierer vor die Alternative recht unterschiedlicher Vorgehensweisen gestellt haben. Sie könnten 1) alle Ackerpflanzen die CaMV Gene VI enthalten zurück rufen (was in Europa bedeuten würde, die Genehmigung für Import und Anbauversuche zu widerrufen) oder 2) eine rückwirkende Risikobewertung des CaMV Promoters und seiner Gen VI Sequenzen durchzuführen und dies hoffentlich in angemessene Gesetze zum Gesundheitsschutz einfließen lassen.
Die Anziehungskraft, welche Option Zwei auf die EFSA ausübt, ist unschwer zu erkennen. Ein Rückruf wäre eine heftige politische und ökonomische Entscheidung und wäre auch für die Regulierer selber sehr peinlich. Es würde nur wenige genveränderte Ackerpflanzen auf dem Markt belassen und das Ende der Agrar-Biotechnik bedeuten.
Regulierungsbehörden haben zumindest theoretisch eine weitere dritte Option, nämlich die Schwere aller potentiellen GMO-Gefahren zu überwachen. Eine Überwachung von GMOs, die nach den Bestimmungen der EU notwendig ist, sollte es ihnen erlauben festzustellen, ob von Landwirten oder Gesundheitsbeamten berichtete Todesfälle, Erkrankungen oder Mißernten mit der Gen VI Sequenz in Verbindung gebracht werden können. Leider ist gerade dieser Weg der Erhebung eine wissenschaftliche Sackgasse. Nicht ein einziges Land hat die Versprechen wahr gemacht, von Amts wegen und wissenschaftlich jegliche schädliche Folgen von GMOs zu überwachen (1).
Wenig überraschend wählte die EFSA Option Zwei. Leider kam bei ihrer Untersuchung nur die vage und wenig beruhigende Feststellung heraus, daß Gen IV “zu unbeabsichtigen phenotypischen Veränderungen führen könnte” (Podevin and du Jardin 2012). Das bedeutet wörtlich, daß Veränderungen von unbekannter Zahl, Art und Stärke auftreten (oder nicht auftreten) könnten. Einer soliden, wissenschaftlichen Bestätigung der öffentlichen Sicherheit genügt dies überhaupt nicht und erfordert eine Erklärung, warum die EFSA keinen Rückruf angeordnet hat.
Kann das Vorhandensein eines Fragmentes einer Virus DNA wirklich so große Bedeutung besitzen? Es folgt eine unabhängige Analyse von Gen VI, seiner bekannten Eigenschaften und deren Folgen für die Sicherheit. Diese Analyse macht das Dilemma der Regulierer sehr deutlich.
Die zahlreichen Funktionen von Gen VI
Gen VI erzeugt wie die meisten Pflanzen-Viralgene ein multifunktionales Protein. Es übernimmt im viralen Infektions-Zyklus vier (bisher) bekannte Aufgaben. Die erste besteht darin, am Zusammenbau von Virus-Bestandteilen mitzuwirken. Es gibt keine aktuellen Daten die darauf hin deuten, daß diese Funktion für die biologische Sicherheit von Belang ist. Die zweite bekannte Funktion dient dazu, die anti-pathogene Abwehr zu unterdrücken, indem ein Hauptsystem der Zelle namens RNA-Unterdrückung blockiert wird (Haas et al. 2008). Zum Dritten hat Gen VI die sehr ungewöhnliche Fähigkeit, die Transkription der langen von CaMV erzeugten RNA (35S RNA) zu aktivieren (Park et al. 2001). Zum Vierten und unabhängig von diesen anderen Mechanismen, macht Gen VI wie erst kürzlich nachgewiesen wurde Pflanzen sehr anfällig für bakterielle Pathogene (Love et al. 2012). Gen IV tut dies, in dem es einen bekannten Abwehrmechanismus stört, über den Pflanzen verfügen. Die letzten drei Funktionen von Gen IV (und welche Risiken damit verbunden sind) werden im Folgenden dargestellt:
1) Gen VI ist ein RNA Silencing Inhibitor (RNA-Unterdrückungshemmer)
RNA Silencing ist ein Mechanismus, die Genexpression anhand des Auftretens von RNA zu steuern (Bartel 2004). Dies ist sowohl in Pflanzen als auch in Tieren ein wichtiger Verteidigungsmechanismus gegen Viren und deshalb haben die meisten Viren Gene (wie Gen VI) entwickelt, die ihn ausschalten (Dunoyer and Voinnet 2006).
Diese Eigenschaft von Gen VI ist für die Biosicherheit mit zwei naheliegenden Problemen verbunden: 1) Gen VI wird bei genveränderten Agrarpflanzen zur anomalen Genexpression mit unbekannten Folgen führen und 2) wird Gen VI die Fähigkeit der Pflanzen, sich gegen virale Pathogene eigenständig zu wehren stören. Es gibt zahlreiche Experimente die das belegen. Im Allgemeinen erhöhen virale Proteine welche die Gen-Unterdrückung ausschalten die Anfälligkeit für Infektionen um ein großes Spektrum an Viren (Latham and Wilson 2008).
2) Gen VI ist ein untypischer Transaktivator der Genexpression
Mehrzellige Organismen stellen Proteine mittels eines Mechanismus her, bei welchem nur ein Protein pro Passage eines Ribosoms entlang einer Boten-RNA (mRNA) hergestellt wird. Nachdem das Protein fertig ist, löst sich das Ribosom von der mRNA. In einer CaMV infizierten Pflanzenzelle oder im Falle einer transgenen, greift Gen VI jedoch in diesen Prozeß ein und veranlaßt das Ribosom, auf die mRNA zurück zu kehren (zu reinitiieren) und das nächste auf der mRNA folgende Protein zu produzieren, wenn eines vorhanden ist. Diese Eigenschaft von Gen VI versetzt den Blumenkohl Mosaik Virus in die Lage, unterschiedliche Proteine von einem einzigen langen RNA Strang (wie der 35S RNA) herzustellen. Erwähnenswert ist, daß diese Funktion von Gen VI (die man Transaktivierung nennt) nicht auf die 35S RNA beschränkt ist. Gen VI scheint in der Lage zu sein, jede mRNA zu transaktivieren (Futterer and Hohn 1991; Ryabova et al. 2002). Es gibt anscheinend Tausende von mRNA Moleküle, die eine mehr oder weniger lange Protein Kodierungs-Sequenz haben, welche der primären folgt. Diese sekundären Kodierungs-Sequenzen können in Zellen exprimiert werden, in denen Gen VI exprimiert ist. Das Resultat wird vermutlich die Produktion von zahlreichen zufälligen Proteinen innerhalb der Zelle sein. Was dies für die Biosicherheit bedeutet, ist schwer abzuschätzen. Diese Proteine können Allergene sein, Pflanzen- oder Humangifte, oder sie können harmlos sein. Ferner wird die Antwort für jede Agrarpflanzen-Varietät unterschiedlich ausfallen, in die Gen VI eingesetzt wurde.
3) Gen VI stört die Abwehr des Wirtes
Ein sehr aktuelles Forschungsergebnis, das Podevin und du Jardin nicht kennen besagt, daß Gen VI über einen zweiten Mechanismus verfügt, der die pflanzliche anti-pathogene Abwehr stört (Love et al. 2012). Es ist zu früh um Sicheres über Details des Mechanismus zu sagen, doch im Ergebnis macht er Pflanzen die das Gen VI in sich tragen gegenüber gewissen Pathogenen anfälligen und weniger anfällig gegenüber anderen. Natürlich kann dies für Landwirte Folgen haben, die Entdeckung einer völlig neuen Funktion von Gen VI, während das EFSA-Papier gerade veröffentlicht wurde verdeutlicht aber auch, daß es derzeit keine umfassende Bewertung aller potentiellen Auswirkungen von Gen VI gibt.
Gibt es ein unmittelbares Toxizitätsproblem für den Menschen?
Wenn Gen VI in transgenen Pflanzen absichtlich exprimiert wird, führt dies dazu, daß sie chlorotisch (gelb) werden, Wachstums-Mißbildungen zeigen und eine dosisabhängie, reduzierte Fruchtbarkeit aufweisen (Ziljstra et al 1996). Pflanzen die Gen VI exprimieren, weisen auch Genexpressions-Anomalien auf. Dies deutet in Anbetracht seiner bekannten Funktionen nicht unerwartet darauf hin, daß das von Gen VI produzierte Protein die Wirkung eines Toxins besitzt und für Pflanzen schädlich ist (Takahashi et al 1989). Da die bekannten Angriffsziele der Aktivität von Gen VI (Ribosomen und Genunterdrückung) in menschlichen Zellen ebenfalls vorkommen, gibt es die nicht unbegründete Sorge, daß das von Gen VI produzierte Protein ein Toxin für den Menschen sein könnte. Diese Frage kann nur durch zukünftige Untersuchungen beantwortet werden.
Wird in genveränderten Agrarpflanzen Gen VI Protein produziert?
Unter der Annahme, daß die Expression von Gen VI Schadenspotential besitzt, ist es eine entscheidende Frage, ob die derzeit eingebauten transgenen Sequenzen, die man in den vermarkteten GMO-Agrarpflanzen findet, irgend ein funktionierendes Protein aus dem in der CaMV enthaltenem Fragment von Gen VI produzieren werden.
Diese Frage hat zwei Aspekte. Der eine ist die Länge von Gen VI, das von den Entwicklern unbeabsichtigt eingebaut wurde. Diese scheint zu variieren, aber die meisten der 54 zugelassenen Transgene enthalten die selben 528 Basenpaare der CaMV 35S Promoter-Sequenz. Das entspricht ungefähr dem letzten Drittel von Gen VI. Gelöschte Fragmente von Gen VI sind aktiv, wenn sie in Pflanzenzellen exprimiert werden und man nimmt an, daß Funktionen von Gen VI in diesem letzten Drittel angesiedelt sind. Deshalb gibt es ein eindeutiges Potential für unbeabsichtigte Effekte, wenn dieses Fragment exprimiert wird (z.B. De Tapia et al. 1993; Ryabova et al. 2002; Kobayashi and Hohn 2003).
Der zweite Aspekt dieser Frage ist ist, welche Mengen von Gen VI in GMO-Agrarpflanzen produziert werden können. Wieder einmal kann dies nur durch direkte quantitative Experimente endgültig beantwortet werden. Trotzdem können wir vermuten, daß die produzierte Menge von Gen VI bei jeder einzelnen Insertion eine eigene sein dürfte. Dies liegt daran, daß eine signifikante Genexpression vermutlich bestimmte vorausgehende Sequenzen (wie etwa die Gegenwart eines Gen-Promoters und eines ATG (ein Protein-Start Codon)) erfordern würde und somit hängt dies wahrscheinlich sehr von solchen Variablen wie etwa die genauen Eigenschaften der eingefügten transgenen DNA ab und wo das Transgen in das Pflanzengenom eingefügt wurde.
Kommerzielle transgene Varietäten von Agrarpflanzen können zudem überzählige Kopien von Transgenen enthalten, einschließlich solcher die unvollständig oder umgeordnet sind (Wilson et al 2006) [PDF]. Diese können bedeutende zusätzliche Quellen von Gen VI Protein darstellen. Die Entscheidung der Regulierer, solche mehrfachen und komplexen Einfügungs-Ereignisse zu erlauben, war schon immer höchst fraglich, doch die Feststellung, das der CaMV 35S Promoter Gen VI Sequenzen enthält, liefert nun einen weiteren Grund anzunehmen, daß komplexe Einfügungs-Ereignisse die Wahrscheinlichkeit eines biologischen Sicherheitsproblemes erhöhen.
Selbst direkte, quantitative Messungen des Gen VI Proteins einzelner Pflanzen-Zulassungen würden die wissenschaftlichen Fragen jedoch nicht völlig beantworten. Niemand weiß zum Beispiel, welche Menge, welcher Ort und welches Timing der Protein-Produktion für die Risikobewertung eine Signifikanz darstellen würde und deshalb ist es unwahrscheinlich, daß es bald die zur Durchführung einer wissenschaftlich begründeten Risikobewertung erforderlichen Antworten geben wird.
Eine heftige Lehre für die Biotechnologie
Zu den grundlegendsten Voraussetzungen einer jeglichen Gefahrenabschätzung gehört wohl, daß der Entwickler eines neuen Produktes der Regulierungsbehörde exakte Informationen über das liefert, was geprüft werden soll. Die nächste grundlegendste Voraussetzung ist vermutlich, daß die Behörde diese Informationen unabhängig überprüft. Inzwischen wissen wir jedoch, daß seit über 20 Jahren keine dieser Erwartungen erfüllt wurde. Die bedeutendsten staatlichen Universitäten, multinationale Biotechnik-Firmen und Regulierungsbehörden weltweit waren offenbar nicht in der Lage, die simple Möglichkeit anzuerkennen, daß die DNA-Konstrukte für welche sie verantwortlich sind ein virales Gen kodieren.
Dieser Fehler trat trotz der Tatsache auf, daß Gen VI nicht wirklich verborgen war; die relevanten Informationen über die Existenz von Gen VI waren in der wissenschaftlichen Literatur schon lange vor der ersten biotechnischen Zulassung frei verfügbar (Franck et al 1980). Wir selber haben konkrete Warnungen ausgesprochen, daß virale Sequenzen unerwartete Gene enthalten können (Latham and Wilson 2008) [PDF]. Die Unfähigkeit der Risikobewertung, altbekannte und mehrfach bestätigte wissenschaftliche Erkenntnisse aufzunehmen, ist nicht weniger besorgniserregend wie das Versagen, die Möglichkeit gedanklich vorherzusehen, daß sich Gene beim Manipulieren viraler Sequenzen überlappen.
Der Eindruck eines typischen Fehlers wird durch die Tatsache verstärkt, daß es sich nicht um ein isoliertes Ereignis handelt. Es gibt weiter Beispiele von für den Handel zugelassenen viralen Sequenzen mit überlappenden Genen, die niemals auf ihre Gefährlichkeit überprüft wurden. Dazu gehören zahlreiche kommerzielle GMOs, die Promoter-Regionen des nah verwandten Figwort Mosaic Virus (FMV) enthalten, welche von Podevin und du Jardin nicht untersucht wurden. Untersuchungen kommerzieller Sequenz-Daten zeigen, daß der üblicherweise eingesetzte FMV Promoter sein eigenes Gen VI überlappt (Richins et al 1987). Ein drittes Beispiel ist die virus-resistente Kartoffen NewLeaf Plus (RBMT-22-82). Dieses Transgen enthält ungefähr 90% des P0 Gens des Kartoffen-Blattroll Virus. Die bekannte Funktion dieses Gens, dessen Existenz erst nach der Zulassung in den USA entdeckt wurde besteht darin, die anti-pathogene Abwehr seines Wirtes zu hemmen (Pfeffer et al 2002). Glücklicherweise wurde diese Kartoffel-Varietät niemals aktiv vermarktet.
Weiteren großen Anteil haben die Biotechnologie-Industrie und ihre Kampagnen, die Zustimmung der Öffentlichkeit und ein wohl gewogenes Regulierungsumfeld sicher zu stellen. Dies brachte sie dazu wiederholt zu behaupten, daß Gentechnik erstens präzise und berechenbar sei; zweitens daß ihre Kompetenz und ihr Eigeninteresse sie davon abhalten würden, potentiell gefährliche Produkte auf den Markt zu bringen; und drittens zu behaupten, daß nur gut untersuchte und voll verstandene Transgene vermarktet werden. Für diese Behauptungen kann man sich kaum schädigendere Forschungsergebnisse vorstellen, wie die Enthüllungen um Gen VI.
Es wird oft vergessen, daß Biotechnologie nicht einfach nur eine Technik ist. Es ist ein Experiment das sich auf die These stützt, menschliche Institutionen könnten eine zutreffende Risikoabschätzung über neue lebende Organismen durchführen. Anstatt diese Frage in erster Linie als eine beängstigende wissenschaftliche anzusehen, sollten wir zuerst in Betracht ziehen, daß das Haupthindernis darin bestehen wird, die banale Falle der menschlichen Selbstgefälligkeit und Inkompetenz zu überwinden. So weit sind wir noch nicht und deshalb wird dieser Vorfall dazu dienen, der Forderung nach einer Kennzeichnung von Gentechnik-Lebensmitteln dort Nachdruck zu verleihen, wo es sie noch nicht gibt.
Was Regulierungsbehörden nun tun sollten
Dieser Überblick über wissenschaftliche Risikofragen zeigt, daß ein Segment eines unzureichend untersuchten viralen Gens, das (bis heute) nie Gegenstand einer Risikobewertung war, für den Markt zugelassen wurde. Dieses Gen ist derzeit in handelsüblichen Ackerpflanzen vorhanden und wächst in großem Maßstab. Es kommt auch in vielen angebotenen Nahrungsmitteln vor.
Selbst nachdem nun die eigenen Forscher der EFSA die Risiken verspätet in Betracht gezogen haben, kann niemand sagen, ob die Allgemeinheit geschädigt wurde, obwohl man eindeutig Schaden wissenschaftlich nicht ausschließen kann. Aus der Sicht einer professionellen und wissenschaftlichen Risikobewertung stellt diese Situation ein vollständiges und katastrophales Systemversagen dar.
Doch die Saga von Gen VI ist noch nicht zu Ende. Es gibt keine Gewißheit, daß weitere wissenschaftliche Untersuchungen die verbleibenden Unsicherheiten auflösen und Sicherheit bringen werden. Zukünftige Forschung könnte de facto den Grad der Besorgnis oder Unsicherheit erhöhen und dies ist eine Möglichkeit, welche die Regulieren in ihren Überlegungen sehr ernst nehmen sollten.
Um auf die ursprünglichen Optionen der EFSA zurück zu kommen, bestehen diese entweder darin, alle GMOs die CaMV 35S Promoter enthalten zurück zu rufen oder eine rückwirkende Risiko-Evaluation durchzuführen. Diese Risikobewertung wurde nun durchgeführt und die Daten weisen eindeutig auf eine signifikante Gefahr hin. Die einzige Vorgehensweise, die dem Schutz der Allgemeinheit und der Wissenschaft gerecht wird, besteht für die EFSA und andere Gesetzgeber darin, den vollständigen Rückruf anzuordnen. Diese Rückrufaktion sollte auch für GMOs gelten, die den FMV Promoter und sein eigenes überlappendes Gen VI enthalten.
Fußnote:
(1) Die EFSA-Regulierer könnten mittlerweile ihr Versagen eine sinnvolle Überwachung von GMOs einzuführen bedauern. Es wäre eine gute Frage, welche europäische Politiker der EFSA stellen sollten und der Verwaltungsrat der EFSA dem GVO-Gremium, zu wessen Aufgaben es gehört, eine Überwachung einzuführen.
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