Verspäteter Nachruf: Wo ist Norbert Felzl?
9. Januar 2016 20:21
Anfang Oktober 2015 wollte ich jemandem seine Webseite zeigen: Server nicht gefunden! Ich dachte mir nichts. Auch nicht, als seine Seiten ein paar Stunden später immer noch weg waren. Sowas kommt vor. Als die Seiten nach ein paar Tagen weiterhin nicht aufrufbar waren, überlegte ich bereits, ob dies Ungutes bedeuten könnte. Drei Wochen später schrieb ich eine Mail an Norbert Felzl. Ich antwortete auf seine letzte. Deren Datum hatte ich übersehen oder ich hatte mich daran gewöhnt, daß wir uns nur noch gelegentlich schrieben. Norberts letzte Mail an mich war vom 17.06.2012. Ich bekam eine Fehlermeldung: Remote host said: 550 5.1.1 Invalid recipient... Am nächsten Tag schrieb ich an die zu seiner Webseite gehörende Mailadresse. Dieses Mal hatte ich eine Fehlermeldung erwartet, denn seine Webseite war ja nicht erreichbar. Das blieb auch so und hat sich bis heute nicht geändert.
Ich konnte mir absolut nicht vorstellen, daß Norbert seine Seiten wortlos aus dem Web nimmt. Dazu hat er zu viel Herzblut für sie aufgewendet. Er hat sehr oft neue Fotos eingestellt. Es lohnte sich immer wieder vorbeizuschauen. Leider hat er aber nicht archiviert, sondern nahm ältere Fotos einfach raus.
Nun suchte ich im Netz nach Hinweisen auf Norbert Felzl, fand aber nur die von ihm angelegten Profile auf Kunstportalen und seine Kommentare in Fotoforen. Ich fragte andere Leute die ihn auch kannten, doch niemand wußte, was mit Felzl los ist. Längst ging ich davon aus, daß er nicht mehr lebt. Definitiv erfuhr ich dies aber erst am 7. Januar 2016 von Harald Kreuzer: Norbert ist am 18.08.2014 verstorben. Auch er wunderte sich, daß im Internet nichts zu Norbert zu finden ist: Schließlich war er ja kein Niemand. Alex We meinte später treffend: Er hat was hinterlassen! Auch er hat Momente für die Ewigkeit eingefangen. Die Frage ist dann immer: was geschieht mit den Fotos eines verstorbenen Fotografen, der nicht "prominent" ist?
Damals, September 2002 schrieb ich ihn einfach an. Unsere Unterhaltung dauerte etwa 10 Jahre, auch wenn wir uns in immer größeren Abständen schrieben. Inzwischen habe ich vielleicht auch ein wenig fotografieren gelernt, doch ich rechne es ihm sehr hoch an, daß er mich von Anfang an ernst nahm. Vielleicht lag es daran, daß wir beide eine musikalische Vergangenheit und Erfahrungen mit der Malerei hatten. Wie er würde ich sagen, daß der Blick und die Gestaltungsfähigkeiten eines Malers oder einer Malerin für das Fotografieren sehr nützlich sind. Wir haben ein Gefühl für Proportionen und Bildaufteilung und sehen sofort, ob eine Aufnahme gut ist. Er war immer sehr skeptisch, was digitale Fotografie angeht: Ich kaufe mir erst dann eine digitale Kamera, wenn es den 1:1 Sensor gibt. Ich verstand darunter eine unendliche Auflösung, er meinte vielleicht aber mehr. Vielleicht sah er, daß die Dynamik eines Sensors dem analogen Filmmaterial kaum nahe kommt, obwohl dieser Mangel bei guten digitalen Aufnahmen nicht sofort in's Auge springt.
Experimentierfreudig wie er war, freundete er sich irgendwann doch mit der digitalen Technik an: ja, ich mach alles digital, hab mir die sauteure nikon d3 zugelegt...
Norbert beherrschte das Fotografenhandwerk. Er konnte ebenso perfekt im Studio die Beleuchtung einsetzen oder das draußen vorhandene Licht nutzen. Trotzdem wußte er, daß technische Perfektion allein noch keine gelungene Fotografie ausmacht. Er vermied Routine. Er wollte immer wieder von den eigenen Aufnahmen begeistert sein. Auch gab er zu, daß es ihm eine kindliche Freude bereitet, einen Pokal nach dem anderen in die Vitrine zu stellen. Er gewann viele Preise.
Die meisten werden seinen Namen mit Aktaufnahmen verbinden. Es hat aber auch hervorragende Landschaftsaufnahmen und Architektur gemacht. Er konnte eigentlich alles virtuos abbilden. Er fotografierte nicht nur weibliche Models. Sicher wußte er, daß Klischees und Sexismus in der Aktfotografie lauern. Mit der Zeit arrangierte er Szenen, in denen auch Männer vorkamen. Wie gerne würde ich mit ihm jetzt darüber diskutieren, wenn er noch da wäre.
Wir haben uns über alles Mögliche unterhalten. Mir geht viel Anekdotisches durch den Kopf. Irgendwann habe ich einen virtuellen Zeppelin mit POV-Ray gebaut, was auch eine fotografische Übung ist, da man eine virtuelle Kamera handhaben muß. Der Zeppelin erinnerte ihn an das Ei, das er in seiner Ausbildung fotografieren mußte. Ich kann mir vorstellen, daß ein auszuleuchtendes Ei pädagogisch nicht schlecht ist, um bewußt auf Licht und Schatten zu achten.
Auch Norbert hat mit digitaler Technik experimentiert und Fotos bearbeitet. Dabei sind Montagen und Verfremdungen entstanden, die über reines Probieren hinaus gehen. Solchen Programmen zu entkommen ist schwer. Meistens bleiben die Autoren der Programme die wahren Künstler und wir reproduzieren nur das, was sie an Möglichkeiten hinein programmiert haben. Norbert hat es sicher ein paar mal geschafft.
Er stand mir immer als Ratgeber zur Verfügung. Wenn ich mir z.B. ein neues Objektiv kaufen wollte, recherchierte ich nicht nur im Internet, sondern fragte auch ihn, welches was taugt.
Schade finde ich es im Nachhinein, daß ich in den letzten zwei Jahre seines Lebens keinen Kontakt mehr zu ihm hatte. Ich hab gelegentlich auf seine Webseite gesehen und mich über neue Fotos gefreut. Ich hätte öfter Hallo sagen sollen.
Der Vollständigkeit halber:
Norbert Felzl, 1943 in Wien geboren, war zuerst Berufsmusiker, Straßenkünstler und Kunstmaler. 1988 erlitt er eine Massenhirnblutung. 1993 fing er an zu fotografieren, nachdem es ihm wieder etwas besser ging. Danach ließ er sich professionell ausbilden und hat ab 1999 selber Portrait- und Aktfotografie unterrichtet. Von 1995 bis 2004 war er Mitglied im Wiener Lichtbildner Klub. Er gewann nationale und internationale Preise.
Vielleicht wird man seine wirkliche Bedeutung erst später entdecken, sofern sein Werk nicht verloren geht.
Lesen Sie bitte auch den Nachruf von Harald Kreuzer, der bei Norbert Felzl Unterricht genommen hat.
Meta: Akt,
Analoge Fotografie,
Architektur,
digitale Fotografie,
Experimental,
Fotografie,
Landschaft,
Nachruf,
Norbert Felzl
Erstellt: 9. Januar 2016 20:21
Geändert: 4. August 2021 12:48
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