Initiative Pro Netzneutralität

Stoppschilder und Postkutschen

1. Juli 2009 02:53

Zum Zweck der Archivierung und anhand des Timestamps auf das Datum der Erstveröffentlichung zurück datiert.

Persönliche Erklärung:

Seit 2000, seitdem ich Zugang zum Internet habe, bin ich noch nie über Kinderpornographie gestolpert. Andere Benutzer des Internets bestätigen mir diese Erfahrung. Wenn wir irgendwann vor verschiedenen Seiten Stoppschilder sehen werden, muß uns das mißtrauisch machen.

Das Gesetz, welches Kinderpornographie bekämpfen will, indem es den Zugriff auf Webseiten erschwert, wird einer Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht nach Ansicht verschiedener Juristen nicht stand halten. Diese Bedenken hat der FDP-Abgeordnete Dr. Max Stadler am 18.06.2009 bei der Abstimmung im Bundestag in seiner Rede bestens zusammengefaßt. Selbst am korrekten Zustandekommen des Gesetzes könnten Zweifel angebracht sein.

Der Kampf gegen dieses Gesetz wird nicht nur politisch fortgeführt werden. Es ist technisch möglich, die DNS-Server die auf die Stoppschilder umleiten sollen, mit anderen nicht manipulierten DNS-Servern abzugleichen. Das kann man von überall auf der Welt aus tun. The web is watching us… Mit dem auf diese Weise rekonstruierten Inhalt der Sperrlisten wird man beweisen können, daß es bei dem Gesetz nicht wirklich um die Bekämpfung von Kinderpornographie oder gar um den Schutz der betroffenen Kinder geht.

Das einzige einigermaßen plausible Argument für Zugangssperren scheint zu sein, man wolle kinderpornographische Seiten aus dem Ausland sperren, an deren Betreiber man nicht herankommt. Daß dies ein Armutszeugnis ist, hat neben anderen der Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur bewiesen. Die meisten Server-Hoster sind kooperationsbereit. Außerdem ist Kinderpornographie so gut wie überall verboten.

Bei den Sperren geht es sicher nicht nur um den digitalen Generationskonflikt, um die Kontrolle eines angeblich über jeglichem Recht stehenden Mediums oder um solchen köstlichen Blödsinn wie der ontischen Differenz zwischen Realität und Interpretation vom Html-Code durch den Browser. Aufgrund der Verflechtung von Wirtschaft und Politik wird es dabei auch um kommerzielle Interessen gehen.

Daß sich auf den Sperrlisten am aller wenigsten Kinderpornographie, sondern jegliche Art von meinetwegen geschmackloser aber legaler Pornographie finden wird, ist nicht schwer voraus zu sagen. Dazu möge man von Friedrich Engels das kleine Bändchen ‘Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats’ von 1884 lesen.

Das Internet ist ein Teil der sich beständig verändernden Wirklichkeit. Wenn irgendwo ein Betrieb wegen zu geringer Rendite geschlossen wird, haben die betroffenen Angestellten und Arbeiter eben Pech gehabt und müssen gehen. Wenn durch die Möglichkeiten des Internets Geschäftsmodelle wegbrechen, muß wohl das Internet wieder abgeschafft werden. Würde das Bewahren von Pfründen für alle Zeiten funktionieren, gäbe es heute noch Postkutschen und berittene Boten.

Ich persönlich verbinde mit dem Internet, daß es neben technischen endlich auch soziale Fortschritte auf diesem Planeten geben könnte. Das erste Mal in der Geschichte arbeiten Menschen weltweit zusammen, anstatt einander den Schädel einzuschlagen. Alle vorausgegangenen Netzwerke haben nie eine derartige Dynamik entwickelt.

BrunO Zacke
Berlin, 21. Juni 2009

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Erstellt: 1. Juli 2009 02:53
Geändert: 6. Februar 2010 14:25
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