Initiative Pro Netzneutralität

Eine Bitte für Rio+20: Macht aus der Natur kein Handelsgut

1. Mai 2012 23:46

David Korten: Die Weisheit der Ureinwohner zeigt einen Weg in die Zukunft auf, ohne die natürlichen Systeme der Erde der kommerziellen Verwertung Preis zu geben.

Autor: David Korten für YES! Magazine, 24. April 2012
Übersetzung: BrunO

Graffiti in der Rigaer Straße, Berlin - © Foto Zacke
“Zeit ist Leben.”

Mit diesen drei Worten schloß Karma Tshiteem, Sekretär der bhutanesischen Brutto-Nationalglück Kommission seine kurze Schilderung der einzigartigen bhutanesischen Auffassung von wirtschaftlicher Entwicklung. Diese zog mein Interesse auf sich, da sie dem westlichen Spruch “Zeit ist Geld” diametral entgegen gesetzt ist.

Bei der Veranstaltung, die ich besuchte, handelte es sich um ein kleines internationales Treffen von führenden Köpfen der indigenen Umweltaktivisten. Ich genoß das Privileg, zu den wenigen nicht indigenen politisch engagierten Autoren zu gehören, welche zur Teilnahme eingeladen wurden.

Tshiteem saß links von mir. Winona LaDuke, Programmdirektor von Honor the Earth und gefeierter indianischer Umweltautor und Aktivist, saß rechts von mir. Tom Goldtooth, ein weltbekannter führender Umweltaktivist und Geschäftsführer des Indigenous Environmental Networks saß mir direkt gegenüber. Neben ihm saß Pablo Solón, ehemaliger bolivianischer Botschafter der Vereinten Nationen. Pablo war die wichtigste treibende Kraft hinter der “Weltkonferenz der Völker zu Klimawandel und den Rechten von Mutter Erde von 2010” in Cochabamba, Bolivien.

Wir waren gekommen, um Ansichten zum Aufbau grüner Ökonomien auszutauschen, die sich auf die Prinzipien des indigenen Wissens stützen. Mehrere der Teilnehmer sind damit beschäftigt, eine indigene Stimme in die Rio+20 Konferenz über nachhaltige Entwicklung in Rio de Janeiro in Brasilien einzubringen, die im Juni 2012 20 Jahre nach dem UN Earth Summit von 1992 stattfindet.

Unsere Veranstaltung fand auf Pocantico statt, vormals das New Yorker Anwesen von John D. Rockefeller, dem legendären Vertreter der rücksichtslosen kapitalistischen Entwicklung und Ausbeutung. Wir genossen die Ironie des Treffens, die sich aus diesem großzügigen Anwesen und unserer Suche nach einem anderen Weg ergab.

Eine prophezeite Wahl

Während des Fluges hatte ich den Bericht von LaDuke gelesen, “Eine grüne Ökonomie für Nichtweiße einführen” (PDF). Dessen erster Absatz steckte den Rahmen für unsere Diskussionen ab:

“Die Prophezeiungen der Ojibwe [Indianerstamm] berichten von einer Zeit während des 7. Feuers, in der die Menschen zwischen zwei Wegen wählen müssen. Der erste Weg ist ausgetreten und versengt. Der zweite Weg ist neu und grün. Es ist unsere Wahl als Gemeinschaft und Individuen, wie wir weitermachen.”

Weil sie die Notwendigkeit eines neuen Weges erkennen, greifen die indigenen Völker weltweit wieder auf die Weisheitslehren ihrer jeweiligen Traditionen als Leitfaden ihres Überlebens zurück. In einer Welt, in der institutionalisierte Kräfte lange versucht haben, diese Lehren aus dem kollektiven Gedächtnis zu löschen.

Wir, die Menschen der modernen westlichen Gesellschaften, stehen vor der selben Wahl wie in der Prophezeiung. Einige von uns erkennen, daß auch wir viel von den traditionellen indigenen Auffassungen zu lernen haben, die uns Goldtooth als die ursprünglichen Anweisungen vorgestellt hat.

Unsere Beratungen in Pocantico brachten den Gegensatz zwischen einer auf des Geld konzentrierten westlichen und einer auf das Leben konzentrierten indigenen Vorstellung vom sinnvollen Zweck und Aufbau einer leistungsfähigen Ökonomie zum Vorschein.

Die ursprünglichen Anweisungen fordern von uns, die Erde als unsere lebende Mutter anzuerkennen, sie zu achten und uns um sie zu kümmern, wie sie sich um uns kümmert. In der westlichen Welt haben wir die ursprünglichen Anweisungen zugunsten einer ökonomischen Theorie aufgegeben, die uns dazu anhält, die Ressourcen der Erde als Handelsware zu behandeln.

Rio+20

Ein paar der Teilnehmer von Pocantico waren an Verhandlungen zur Vorbereitung von Rio+20 beteiligt, einer globalen UN-Umweltkonferenz anläßlich des 20ten Jahrestages des Earth Summit in Rio de Janneiro, Brasilien von 1992. Sie informierten uns darüber, daß das Dokument, welches man zur Annahme durch die Regierungen der Welt in Rio vorbereitet sehr unzureichend sein wird, um die Gründe des globalen Umweltversagens zu identifizieren und etwas dagegen zu tun. Stattdessen wird es empfehlen, daß wir zur Rettung unserer Mutter Erde einen geschätzten Preis auf ihre Gewässer, Böden, Luft, Wälder, Fischvorkommen und auf den Genpool legen und dies alles zum Verkauf anbieten müssen – gestützt auf die durchweg unbewiesene Theorie, daß wer immer in der Lage ist, den höchsten Preis für sie zu zahlen, einen natürlichen Anreiz besäße, sie zu schützen.

In den 1990ern war ich sehr stark am globalen Widerstand gegen multilaterale Handelsabkommen beteiligt, durch welche die globalen Konzerne versuchten, freie Hand für die Kolonisation der natürlichen Ressourcen, Märkte und Technologien zu bekommen. Der Protest von 1999 in Seattle gegen die World Trade Organization lenkte die weltweite Aufmerksamkeit auf diesen Angriff auf die Zukunft der Menschheit. Die mächtigen Demonstrationen die weltweit folgten, behinderten den Einsatz multilateraler Abkommen beträchtlich, mit denen – in einer globalen Aktion zur Aufteilung der Kontrolle über Weltmärkte und Ressourcen unter den herrschenden Konzern-Oligopolen – Demokratie und Volkssouveränität umgangen werden sollten.

Während unserer Pocantico Konferenz wurde offensichtlich, daß die Interessenvertreter der Konzerne zum Schluß gekommen sind, daß die aussichtsreichste Methode ihre Agenda voran zu bringen aktuell darin besteht, mit der weltweiten Besorgnis um die Umwelt zu spielen, multilaterale Umweltvereinbarungen als ihr neues Vehikel zu benutzen, um lokale Gemeinschaften und nationale Regierungen dazu zu bringen, auf die Kontrolle des natürlichen Reichtums innerhalb ihrer Grenzen zu verzichten.

Wie besorgte Bürgerinitiativen betonen, würde die Weiterentwicklung dieser Entwürfe zur ultimativen Kommerzialisierung und Monetarisierung der Natur für den kurzfristigen Profit von ein paar globalen Profiteuren führen, welche die Immobilienblase generiert haben, die 2008 große Teile der globalen Ökonomie in den Abgrund zog.

Herman Daly, der Vater der Ökologischen Ökonomie hat es treffend beobachtet:

“Es hat etwas fundamental Falsches, die Erde so zu behandeln, als ob es sich um einen Betrieb in Liquidation handeln würde.”
Wenn Rio+20 dem Plan der Wall Street folgt, wird damit der Grundstein für den ultimativen Ausverkauf der Erde gelegt.

Auf dem Rio Earth Summit von 1992 ging die Führerschaft für einen neuen grünen Weg nicht von globalen Konzernen und den mit ihren Interessen konformen offiziellen Delegierten aus, sondern eher von den Vertretern einer globalen zivilen Gesellschaft, die alternative NGO-Verträge entwarfen, welche für die Vision der Menschen von einer gerechten, nachhaltigen und demokratischen Zukunft der Menschheit standen. Rio+20 scheint dafür bestimmt zu sein, dieses Muster zu wiederholen, indem Bürgerinitiativen bereits an Nachhaltigkeits-Verträgen der Menschen arbeiten, die den ursprünglichen Anweisungen gerecht werden und den Visionen und Werten von uns allen eine Stimme verleihen. Wir hoffen, der Kontrast welcher sich aus der Vision der Konzerne und aus jener der Menschen ergibt – die eine auf die aktuelle westliche Weltsicht, die andere auf die traditionelle indigene gestützt – möge uns allen helfen, den Unterschied zwischen den zwei Wegen der Ojibwe-Prophezeiung deutlicher zu erkennen.

Rivalisierende Weltsichten

Jene indigenen Menschen, die ihre kulturelle Identität aufrecht erhalten, sehen die Welt durch eine ganz andere Brille als jene von uns, die die Welt durch eine westliche kulturelle Brille wahrnehmen. Die Auswirkungen dieser Differenz sind gravierend.

Die folgenden Zusammenfassungen meines Verständnisses der unterschiedlichen westlichen und indigenen Weltsichten beziehen sich auf unsere Verständnis von Zeit, Beziehungen und Ort. Die westliche Brille führt uns auf dem versengten Pfad der Erde weiter, dem wir zur Zeit folgen. Die Indigene Sicht führt auf den Weg einer machbaren und erfolgreichen menschlichen Zukunft. Zur Klarstellung: ich habe die Unterschiede mit Absicht stark hervorgehoben.

Die zeitgenössiche westliche Weltsicht

  • Zeit: Zeit ist Geld und bewirkt ein exponetielles unidirektionales Wachstum finanzieller Vermögen, der Konsumption und des Marktwertes der ökonomischen Aktivität. Vernünftige Entscheidungen setzen die Priorität auf finanziellen Gewinn, um den ökonomischen Kuchen wachsen zu lassen und so das Leben aller zu verbessern. Indikatoren wie Brutosozialprodukt, welche die ökonomische Leistung anhand des Geldflusses durch die Wirtschaft bewerten und Aktienindexe wie der Dow Jones, der dem Durchschnittswert aller Aktien folgt, sind natürliche und logische Berechnungen, um die ökonomische Leistung zu beurteilen.
  • Beziehungen: Individuelle Freiheit und ökonomische Effizienz stehen an erster Stelle und werden gesteigert, indem die menschlichen Beziehungen auf auf die Grundlage eines finanziellen Austausches gestellt werden, in welchem jedes Individuum versucht, seinen oder ihren finanziellen Gewinn zu maximieren. Dies maximiert im Gegenzug den allgemeinen Wohlstand und verbessert das Leben aller. Die Natur besteht zum Nutzen des Menschen, der das Recht hat, sie zu kontrollieren und zu beherrschen [s. Bibel].
  • Ort: Die Erde ist eine Ressource die für den Besitz bestimmt ist, die den Preis wert ist, den sie auf dem Markt erlangen wird und die man für die maximale Rendite ausbeutet. Unsere individuelle Identität wird durch die Marken definiert, die wir konsumieren. Unser individueller Wert ist durch den Preis bestimmt, den wir auf dem Arbeitsmarkt verlangen und durch unsere finanziellen Vermögenswerte, die wir angesammelt haben. Wir maximieren unsere persönliche ökonomische Effizienz, indem wir unsere individuelle Verbindung und Verpflichtung zu Ort, Person oder Gemeinschaft minimieren und indem wir unsere Bereitschaft zur Ortsveränderung maximieren, wenn sich uns anderswo bessere finanzielle Möglichkeiten anbieten. Eigentumsrechte werden am besten als individuelle Rechte behandelt, allumfassend und frei verkäuflich, wenn der Preis stimmt.

Die Affirmation und das Feiern eines extremen Individualismus, sofortige Selbstbelohnung und die Entfremdung von einander und von der Natur als Charakteristik der zeitgenössischen westlichen Weltsicht entsprechen dem primitiven Kern des menschlichen Gehirnes, das man gemeinhin als Reptiliengehirn [Stammhirn] kennt. Es ist der Sitz unserer ursprünglichsten, individualistischesten, räuberischesten Überlebensinstinkte, die uns zum Verstecken, Kämpfen oder Fliehen veranlassen und die weder durch das höher entwickelte Säugetiergehirn [Limbisches System], das die Quelle für unsere menschliche Fähigkeit zu Mitgefühl und Bindung ist, noch durch das neokortiale Hirn [Großhirn], in dem unsere charakteristischen menschlichen Fahigkeiten für Selbstbewußtsein und Vernunft sitzen, modertiert werden.

Indem wir unsere Fähigkeit zur Vernunft unterdrücken, erheben wir das Streben nach Geld in den Status einer heiliger Mission, sind nicht in der Lage zu erkennen, daß Geld nichts anderes als eine Zahl ohne wirklichen Wert ist und daß wir den wirklichen Reichtum der Menschen, der Gemeinschaft und der Natur zerstören, um die Zahlen auf den Vermögensauszügen der Bank zu erhöhen.

Die traditionelle indigene Weltsicht bietet eine ganz andere, wir könnten sagen – eine Sicht des ganzen Gehirnes von uns und unserer Beziehung zur Natur an.

Die traditionelle indigene Weltsicht

  • Zeit: Zeit ist Leben und wird durch den Rhythmus des täglichen Lebens, der Jahreszeiten und dem wiederkehrenden Fluß der Generationen erfahren. Als Menschen müssen wir stets unserer Verantwortung gewahr sein, um unsere Bedürfnisse auf eine Art und Weise zu befriedigen, die den gesunden Fluß und die Balance des weitergehenden Lebens heute und für zukünftige Generationen sicherstellt. Der Brutto-Nationalglück Index, den der Staat Bhutan entwickelt hat, bewertet die ökonomische Leistung anhand von Indikatoren wie Gesundheit und Wohlergehen der Menschen, die in einer harmonischen Balance miteinander und mit der Natur leben.
  • Beziehungen: Alle Lebewesen sind verwandt und miteinander verbunden. Es ist unsere menschliche Pflicht, die Würde und die Rechte aller Lebewesen anzuerkennen, dazu gehören Flüsse, Berge und Gletscher. Mutter Erde liefert uns, was wir zum Leben brauchen. Ihre Großzügigkeit ist ein Geschenk, das wir gemeinsam erhalten haben und teilen müssen, das wir gemeinsam achten und pflegen müssen. Niemand von uns hat diese Freigiebigkeit erzeugt und niemand von uns hat ein Recht, sie für seinen persönlichen Vorteil zu beanspruchen. Wir sind nur berechtigt, das zu nehmen was wir brauchen und sind einer heiligen Verantwortung verpflichtet, zurück zu geben oder den Rest zu teilen, indem wir die natürliche Balance der Schöpfung und die ursprünglichen Anweisungen beachten, die ein höheres Gesetz darstellen, dem alle menschlichen Gesetze von Natur aus untergeordnet sind.
  • Ort: Die Erde ist unsere heilige Mutter. Jedes Lebewesen hat einen ihm innewohnenden Wert und seinen rechtmäßigen Platz innerhalb eines miteinander verbundenem Ganzen. Unsere persönliche und kollektive Verbindung zu unseren Platz auf Welt ist heilig und nicht veräußerlich. Die individuelle menschliche Identität ist verbunden mit, und wird definiert durch eine tiefe, andauernde Beziehung zu unserem Ort und durch unsere Begabungen, mit denen wir uns am Leben halten und unserer Verantwortung gegenüber und für die Gemeinschaft gerecht werden, welche uns im dafür Rückhalt bietet.

Es gibt einen guten Grund, warum die Weisheit im Kern der traditionellen indigenen Weltsicht eine tiefe Resonanz der Sympathie in der menschlichen Psyche findet. Die moderne Wissenschaft berichtet uns heute das, was die Hüter der indigenen Weisheit über zahllose Generationen gewußt und gelehrt haben. Wir Menschen entwickelten uns über Jahrmillionen, um in Gemeinschaft miteinander und mit der Natur zu leben und zu gedeihen. Unser Glück und unsere Wahrnehmung von Wohlergehen hängen in erheblichem Umfang von unserer Verbindung zur Natur und zu einer sorgenden Gemeinschaft ab. Die Wissenschaft bestätigt uns nun, daß die ursprünglichen Anweisungen in der Tat in den höher entwickelten Säugetier- und menschlichen Hirnzentren genetisch einkodiert sind.

Was wir mit der westlichen Weltsicht als Fortschritt begrüßen, ist aus einer evolutionären Perspektive als Regression auf einen primitiveren Bewußtseinsstand bestens erforscht. Unsere westliche Trennung von der Natur – vom Leben – hat es uns erlaubt, das menschliche Verständnis der inneren Mechanismen des Lebens enorm zu vertiefen. Es hat uns jedoch von unserem Verständnis des Lebenssinnes abgetrennt; die Fahigkeit des Lebens zur nicht mechanischen Selbststeuerung, zur Anpassung und zum Durchhaltevermögen und was wirklich heilig ist. Wir beginnen gerade damit, in die unsere Überheblichkeit abbauenden Wahrheit zu erwachen und erkennen daß wir, wenn wir unseren Weg zur neuen grünen Zukunft finden wollen, uns zur Führung an die indigenen Hüter der ursprünglichen Anweisungen wenden müssen, welche die Brutalität der invasiven kulturellen und institutionellen Kräfte der Verwestlichung überlebt haben.

Der neue grüne Pfad

In Übereinstimmung mit der Ojibwe-Prophezeiung hat das Wiedererwachen unserer wahren menschlichen Natur sowohl indigene als auch nicht indigene Gesellschaften erfaßt. Für Jahrtausende haben die Weisheitshüter der indigenen Gesellschaften die tiefe Weisheit ihrer traditionellen indigenen Weltsicht am Leben gehalten und ihr Verstehen der ursprünglichen Anweisungen von Generation zu Generation weitergereicht, damit es für uns alle zum Zeitpunkt der prophezeiten Wahl zur Verfügung steht.

Dies legt keine Rückkehr zu traditionellen, überwiegend auf Jagen und Sammeln beruhenden, indigenen Lebensweisen und Organisationsformen nahe. Das steht nicht zur Wahl. Ganz abgesehen von persönlichen Präferenzen des Lebensstiles, werden traditionelle indigene Einrichtungen und Technologien, die in einfacheren Zeiten gut funktionierten, nicht den Bedürfnissen einer global verbunden Bevölkerung von 7 Milliarden Menschen in einer Welt knapper Ressourcen genügen.

Um unseren Weg zum neuen grünen Pfad der Ojibwe-Prophezeiung zu finden, benötigen wir eine Weltsicht, die auf der indigenen Weisheit als Grundlage aufbaut und sie gleichzeitig gezielt erneuert und an die Realität einer dicht bevölkerten Welt und an die Notwendigkeit anpaßt, optimierte moderne Technologien und institutionelle Formen bewußt und verantwortlich anzuwenden. Das Ergebnis könnte ungefähr so aussehen:

  • Zeit: Wir werden erkennen, daß Zeit Leben ist und sowohl durch die Spirale der Kreisläufe des Lebens, als auch durch die Zeitschiene ihrer entwicklungsmäßigen Entfaltung über Generationen zu immer besseren Fähigkeiten und Möglichkeiten erfahren wird. Wir werden das Leben und nicht das Geld als angemessenes Maß für Wert akzeptieren, werden verstehen, daß der individuelle Wert durch das Geschenk des Lebens gegeben ist, und unsere Verantwortung als eine heilige Pflicht annehmen, den gesunden Fluß und die Balance des weitergehenden Lebens jetzt und für zukünftige Generationen sicher zu stellen. Wir werden die Leistung unserer Ökonomien anhand der Gesundheit und Vitalität des Lebens beurteilen.
  • Beziehungen: Wir werden erkennen, daß individuelle Rechte und Pflichten untrennbar miteinander verbunden sind und wir werden auf der Grundlage von gegenseitigem Sorgen und Teilen unser tiefes Verständnis für die Verbindung untereinander und zur Erde wiederentdecken und erneuern.
  • Ort: Wir werden erkennen, daß die Biosphäre unser aller Erbe, die Grundlage des Lebens ist und nicht mit Geld aufgewogen werden kann. Wir werden entdecken, daß eine Identität, die auf Ort und Gemeinschaft beruht, eine größere Bedeutung hat und zufriedenstellender ist als eine Identität, die auf Vermögen und Konsum bestimmter Marken beruht. Wir werden erkennen, daß wir die Geschenke der Natur kollektiv empfangen und daß die Fülle der Natur am besten von Menschen in lokal verwurzelten Gemeinschaften verwaltet werden kann, die ein natürliches Interesse an der Sicherstellung des anhaltenden Flusses dieser Fülle von Generation zu Generation haben, ohne daß die Vitalität, Produktivität und die Beständigkeit des natrülichen Systmes der Erde nachläßt.

Unsere Überlegungen in Pocantico konzentrierten sich auf die Bemühungen der indigenen Völker, innerhalb ihrer Gebiete neue Ökonomien zu gestalten, die auf der Weisheit der ursprünglichen Anweisungen beruhen. Ihre Anstrengungen können eine wichtige Quelle der Inspiration und Anleitung für jene von uns sein, die schon lange von ihren indigenen Wurzeln und der Weisheit der indigenen Weltsicht abgetrennt sind. Damit die indigenen Völker diese Aufgabe zum besseren Nutzen von uns allen leisten können, ist es unverzichtbar, daß wir, die nicht indigenen Gesellschaften dieser Welt, deren Recht achten, ihre Gebiete und Ressourcen entsprechend ihren traditionellen Lehren und Praktiken zu hegen und zu verwalten. Deshalb müssen wir unseren indigenen Brüdern und Schwestern in ihrem Kampf beistehen, fremde Interessen davon abzuhalten über das, was ihnen an Land und Ressourcen verblieben ist, die Kontrolle zu übernehmen.

Etwas allgemeiner ausgedrückt müssen wird jedes Vorhaben zurückweisen, daß die weitere Kommerzialisierung und Monetarisierung der Natur voran treibt und die Vereinten Nationen dazu auffordern, den Entwurf eines neuen Konzeptes anzustoßen, das mit der Einsicht beginnt, daß das Leben die Grundlage und das geeignete Maß von Wert, die Natur heilig ist und nicht zum Verkauf steht, und daß beständige, lokale Gemeinschaften die natürlichen und geeignetsten Verwalter der natürlichen Fülle dieser Erde sind.

Zusammen können wir den prophezeiten neuen grünen Weg für eine sichere und gedeihliche Zukunft wählen, für uns und all die Kinder der Welt und für alle kommenden Generationen.


David Korten ist Mitbegründer und Vorsitzender der YES! Magazine Leitung, Autor von “Agenda for a New Economy”, “The Great Turning: From Empire to Earth Community” und des internationalen Bestsellers “When Corporations Rule the World”. Er ist zweiter Vorsitzender der New Economy Working Group, und gründendes Ausschußmitglied der Business Alliance for Local Living Economies, Präsident vom Living Economies Forum und Mitglied des Club of Rome.


Der Original-Artikel “A Plea for Rio+20: Don’t Commodify Nature” wurde unter Creative Commons: BY-NC-SA (Namensnennung, keine kommerzielle Verwendung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen) veröffentlicht, was dem Lizenzmodell dieses Blogs entspricht. (Ein Link zur Nennung wäre nett.)


Anmerkung:

Ein schöner Text, trotz der viel zu religiösen Sprache, dem ich nur an einem kleinen Punkt nicht zustimme. Ich würde nicht von einem spezifischen menschlichen Gehirn sprechen (womit das Großhirn gemeint war), weil ich den Menschen in meinem Weltbild nicht als höchste Vollendung der Natur über die Tierwelt stelle. Ich billige allen Tieren so etwas wie ein Selbstbewußtsein zu. Erst recht den Tieren, die ebenfalls ein Großhirn haben. Es gibt kein menschliches Gehirn an sich, sondern das Gehirn des Menschen ist vielleicht relativ weit entwickelt. Wir wissen das nicht, weil wir nicht wissen können, inwieweit Tiere nicht auch denken, analysieren und eventuell sogar Verantwortung übernehmen können. Mit der Verantwortung scheint es bei den Menschen nicht sehr weit her zu sein. Das ist Fakt!

Leid können alle Tiere empfinden und es steht uns nicht zu, dies ihnen abzusprechen, um sie nach unseren Belieben mit beruhigtem Gewissen als reines Material zu Nahrung oder sonstwas verarbeiten zu dürfen. Das ist eben der Preis für unsere Intelligenz, die uns Wertvorstellungen entwickeln ließ, die man konsequent zu Ende denken muß. Auf die Regel der Natur vom Fressen und gefressen werden können wir uns nicht mehr berufen, denn wir haben uns längst der Nahrungkette entzogen. Uns fressen bestenfalls die Würmer im Sarg. Wir haben kein moralische Recht, Tiere groß zu ziehen, deren Lebensperspektive einzig darin besteht, geschlachtet zu werden und die diesem Schicksal nicht entkommen können. Daran ändert selbst die sogenannte artgerechte Tierhaltung nichts. Wie würden wir soetwas bewerten, wenn es Menschen beträfe?

Eines Tages wird der Menschheit allein aus Gründen der Effizienz alle satt zu bekommen eh nichts anderes übrig bleiben, als vegan zu leben. Das ist dann der wirklich grüne Weg. Ein Kilo Fleisch kostet viele hundert mal mehr Wasser und auch ein beachtliches Vielfaches an Fläche, wie der Anbau von einem Kilo Getreide. Von einem Kilo Getreide kann man, wenn man es nicht durch Backen und Kochen kaputt denaturiert, eine ganze Weile gesund leben. Bis zu dieser Einsicht muß sich das Gehirn des Menschen natürlich noch mächtig weiterentwickeln oder es wird zu Verteilungskämpfen kommen und das Problem der erschöpften (eßbaren) Ressourcen löst sich wie in jeden Biotop auf brutalste natürliche Art. Human, wie es uns immer so edel vorschwebt oder vorgeschwafelt wird, ist etwas anderes.


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Erstellt: 1. Mai 2012 23:46
Geändert: 1. Mai 2012 23:46
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