Initiative Pro Netzneutralität

Alle Jahre wieder: Die Chemielobby versucht den Biotrend zu stoppen

8. September 2012 17:00

Autor: ANH-USA, 4. September 2012
Übersetzung: BrunO

Neue pseudowissenschaftliche Ergebnisse stellen den Wert ökologisch erzeugter Lebensmittel für eine gesunde Ernährung in Frage

Wer denkt, Stanford wäre über solchen Forschungspfusch erhaben, der irrt.


Siluette von Hieronimus Karl Friedrich von Münchhausen (1720-1797)
© Reproduktion: Landesbibliothek Skara (Schweden) CC: BY-NC-NC via flickr 
Forscher an der Stanford University haben eine Meta-Analyse (Auswahl und Zusammenfassung) von 17 Humanstudien und 230 Feldstudien zu Nähr- und Kontaminationswerten in unverarbeiteten Lebensmitteln (z.B. Früchte, Gemüse, Getreide, Eier, Geflügel, Rind- und Schweinefleisch) durchgeführt.

Die am 03.09.2012 in The Annals of Internal Medicine veröffentlichte Studie kam zu dem Schluß, daß “es in der veröffentlichten Literatur keinen eindeutigen Beleg dafür gäbe, daß ökologisch angebaute Lebensmittel für die Ernährung besser wären als konventionelle Lebensmittel. Der Verzehr ökologischer Lebensmittel kann unter Umständen die Belastung mit Pestizidrückständen und Antibiotika restistenten Bakterien reduzieren.”

Die Medien haben sich natürlich auf den ersten Teil des Ergenisses gestürzt und berichteten darüber mit ihrer üblichen Vehemenz, wobei sie in vielen Fällen den zweiten Teil vollständig ignorierten. Aufgrund ihrer Überschriften müßte man tatsächlich glauben, daß ökologische Lebensmittel überhaupt keinen Vorteil brächten: “Stanford Wissenschaftler hegen Zweifel an den Vorteilen von Bio-Fleisch und Erzeugnissen” (New York Times); “Bio-Lebensmittel sind nicht gesünder als konventionelle Produkte” (Huffington Post); “Eine Studie fragt, wie viel besser Bio-Produkte sind” (Houston Chronicle); “Eine Studie stellt fest, Bio- und konvtionelle Lebensmittel sind was Nährwerte und Sicherheit angeht vergleichbar” (Washington Post). Selbst in der eigenen Pressemeldung der Stanford University heißt es: “Stanford Studie ergibt wenig Belege für den gesundheitlichen Vorteil von Bio-Lebensmitteln”. [Anzumerken ist, daß auch mehrere deutsche Profi-Leistungsmedien mit entsprechenden Meldungen aufwarteten.]

Was die Studie tatsächlich sagt ist, daß sie keine “signifikanten” oder “robusten” Unterschiede im Nährwertgehalt von ökologischen oder konventionell angebauten Lebensmitteln gefunden haben, daß sie aber feststellten, daß Bio-Lebensmittel 30% weniger Pestizidrückstände aufweisen. Obwohl sich die Pestizidwerte im Rahmen der Sicherheitsrichtlinien der amerikanischen Umweltbehörde (EPA) bewegten, sollte darauf hingewiesen werden, daß die gesundheitlichen Auswirkungen von Pestiziden kumulativ sind und daß das was wir als sicher erachten, nicht mit der EPA übereinstimmen muß! Wie wir z.B. am 21.08.2012 berichtet haben, können Herbizidrückstände auf genveränderten Feldfrüchten Fortpflanzungsprobleme verursachen. Eine Belastung mit Organophosphaten kann nach mehreren Studien führender Universitäten zu Frühgeburten und zu ADHD als auch zu einer niedrigeren Intelligenz bei Kindern führen.

Die Stanford Studie betonte außerdem, daß das Risiko Antibiotika resistente Bakterien aufzunehmen bei konventionellen Geflügel und Schweinefleisch 33% höher ist als bei ökologischem. Erinnern Sie sich an unseren Artikel über “Superbugs” (resistente Schädlinge)? Das amerikanische Landwirtschaftsministerium rechtfertigt aufgrund solcher Lebensmittel-Sicherheitsbedenken regelmäßig die Bestrahlung und Sterilisierung von Lebensmitteln, siehe unser Bericht vom 28.08.2012 – und diese Studie zeigt im Grunde, daß Bio-Produkte nicht sterilisiert werden müssen, weil sie viel sicherer sind.

Die Meta-Analyse stellt weiter fest, daß Bio-Produkte mehr Phosphor enthalten und daß Öko-Geflügel mehr Vaccensäure und mehr organische Phenole enthalten, die eine antioxidative und krebshemmende Wirkung haben. Ein paar Studien legten nahe, daß Bio-Milch signifikant mehr Omega 3 Fettsäuren enthalten könnte.

Was die Stanford Studie ausließ ist, daß ökologisch angebaute Lebensmittel per Definition keine genmanipulierten Organismen enthalten können, so daß sie sehr viel gesünder als konventionelle Lebensmittel sind. Obwohl die Gentechnik-Industrie immer wieder betont, daß “GMOs” sicher wären und GMO freien Produkten gleich kommen, gibt es reichlich Belege für das Gegenteil. Ökologischer Landbau ist auch für die Umwelt gesünder, da er nicht mit den Auswirkungen großindustrieller Landwirtschaft verbunden ist (abgesehen davon, daß man mit Tieren die zur Fleischproduktion aufgezogen werden humaner umgeht [das finde ich als Veganer neben dem ca. 10 mal höheren Ressourcenverbrauch verlogen, da kein Lebewesen gerne stirbt]).

Charles Benbrook, PhD, Professor an der Washington State University und ehemaliger Chef-Wissenschaftler am Organic Center, der die Stanford Studie und einen Großteil der verwendeten Literatur prüfte, fand die Studie irreführend. Er wies darauf hin, daß mehrere gut entworfene Studien gezeigt haben, daß Produkte aus ökologischem Landbau höhere Konzentrationen an Antioxidanten und Vitaminen als konventionelle landwirtschaftliche Produkte enthalten. Produkte wie Äpfel, Erdbeeren, Weintrauben, Tomaten, Milch, Karotten und Getreide aus dem Ökoanbau wiesen in den meisten Studien 10 bis 30 Prozent höhere Werte verschiedener Nährstoffe auf, dazu gehören Vitamin C, Antioxidanten und Phenolsäuren.

Wie die Environmental Working Group anmerkt, widerspricht die Stanford Studie auch den Ergebnissen einer vergleichenden Analyse der Nährwerte ökologischer und konventioneller Nahrung, die von vielen für die bahnbrechendste der wissenschaftlichen Literatur angesehen wird. In dieser Studie von 2011 analysierte ein von Dr. Kirsten Brandt geleitetes Team des Human Nutrition Research Centers der Newcastle University in Großbritannien zum größten Teil die selben Forschungsarbeiten und kam zum Ergebnis, daß Produkte aus ökologischem Landbau ungefähr 12 bis 16 Prozent mehr Nährstoffe als konventionelle Produkte enthalten.

Kritiker der Studie haben auch sehr schnell auf methodologische Schwächen der Studie hingewiesen.

Erstens übergeht eine Meta-Analyse (d.h. eine große Anzahl von Studien auf Übereinstimmungen zu untersuchen), die Feinheiten und den Umfang der einzelnen Studien, z.B. unterschiedliche Testverfahren, geographische Gegebenheiten und Anbaumethoden. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher ökologischer Anbaumethoden und jede vorgefundene Lebensmittelprobe hängt von Boden ab, auf dem sie gewachsen ist. Chinesische Erde weist z.B. einen notorischen Mangel an Selen auf und der tritt auch in den Nahrungsmitteln zutage. Dies erschwert es, anhand einer Sichtung vieler verschiedener Studien verallgemeinernde Aussagen zu treffen.

Zweitens, wenn Forscher Studien für eine Meta-Analyse auswählen, steht es ihnen frei auszuwählen, was immer sie wollen – und alles auszulassen, daß ihre Schlußfolgerungen nicht stützt. Z.B. kam eine Studie im Jahre 2010 von Wissenschaftlern der Washington State University zum Ergebnis, daß Erbeeren aus ökologischem Anbau mehr Vitamin C als konventionelle enthalten. Dr. Crystal Smith-Spangler aus dem Stanford Team sagte, daß diese Studie irrtümlich bei der Analyse übersehen wurde, doch sie bezweifelte, daß sie das Ergebnis verändert hätte, wenn sie zu den 31 anderen Studien die den Vitamin C Gehalt untersuchten dazu genommen worden wäre!

Dieser Kommentar unterschlägt völlig, daß jene Chemikalien die [in den USA bisher] zur Behandlung von konventionellen Erdbeeren verwendet werden, zu den gefährlichsten überhaupt gehören. So ignoriert die Diskussion über dem exakten Vitamin C Gehalt in der Frucht das Allerwichtigste, daß konventionelle Erdbeeren wegen ihrer Belastung mit einem bekannten Gift gemieden werden sollten.

Drittens gab es keine Langzeitstudien zu den gesundheitlichen Auswirkungen, die den Verzehr von ökologischen und konventionellen Lebensmitteln vergleichen. Die Dauer der Humanstudien variierten von zwei Tagen bis zwei Jahren. Die meisten der gesundheitlichen Auswirkungen brauchen sehr viel länger, um sichtbar zu werden.

Wir sehen wieder einmal, wie sich die Medien das Spektakulärste herauspicken, als ob dies für die ganze Studie repräsentativ wäre, und wie sie die wichtigsten Ergebnisse auslassen – daß ökologische Lebensmittel, was den Gehalt an Pestiziden, Antibiotika resistenten Bakterien und GMOs angeht, sehr viel sicherer sind. Die Medien machten sich auch keine Mühe damit, die Methodik der Studie einer kritischen Analyse zu unterziehen und noch viel seltener boten sie eine faire Darstellung dessen an, was die Kritiker der Studie zu sagen hatten.

AHN-USA wird jeden Herausgeber in den Medien kontaktieren und um Veröffentlichung einer Korrektur bitten. Wir holen tief Luft. Wie unsere Leser wissen, sind große Lebensmittelkonzeren nicht anders als große Pharmakonzerne große Werbekunden und die herkömmlichen Medien scheinen ihre Berichte entsprechend zu stricken.


Der Original-Artikel “New Junk Science Study Dismisses Nutritional Value of Organic Foods” wurde von ANH-USA unter einer Creative Commons Attribution 3.0 License (Namensnennung) veröffentlicht. Für diese Übersetzung gilt das Lizenzmodell dieses Blogs: CC: BY-NC-SA (Namensnennung, nicht kommerzielle Nutzung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen).

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Erstellt: 8. September 2012 17:00
Geändert: 8. September 2012 17:02
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