Initiative Pro Netzneutralität

Zyprioten: Macht es wie die Wikinger!

24. März 2013 00:32


Autor George Lakey für Waging Nonviolence, 23. März 2013
Übersetzung: BrunO

Die isländische Revolution der Kochtöpfe, 10. Januar 2009
Die isländische Revolution der Kochtöpfe, 10. Januar 2009
© Foto: Álvaro Zarzuela CC: BY-NC-SA via flickr 

Als die Banken von Schweden, Norwegen und Island außer Kontrolle gerieten, weigerten sich die Menschen, sie zu retten und der Wirtschaft dieser drei Länder bekam dies besser. Anstatt zuzulassen, von durch den IWF und der EU vertretene internationale Investoren schikaniert zu werden, könnten die Zyprioten, denen ein ähnliches Schicksal droht, eventuell ein Interesse daran haben, von den Wikingern zu lernen.

Der Bankensektor Zyperns lief so weit aus dem Ruder, daß er acht mal größer als die übrige Wirtschaft des Landes wurde. Vielleicht dachten die Banker, sie würden zum Scheitern zu groß werden, so daß das Land sie retten müßte. Doch weshalb sollen Bürger Bänker retten?

Es gibt einen besseren Weg, nämlich den, auf welchem die Skandinavier bestanden haben.

Wenn es zu einer Finanzkrise kommt, bedarf es einer Kombination aus öffentlichem Willen und dem Vorhandensein einer Alternative. Die Wikinger verbanden kluge Ökonomie mit der Kraft des organisierten Widerstandes, um die Alternative durchzusetzen. Als Präsidentschaftskanidat sagte Barak Obama 2008, er wisse, daß die Schweden mit ihrer Bankkrise korrekt umgegangen sind, aber er bestätigte auch, daß die Vereinigten Staaten nicht dem schwedischen Beispiel folgen werden. Wieso? Obama glaubte, daß wir ihn bei einer Konfrontation mit der Wall Street nicht durch eine spontane Massenbewegung unterstützen würden.

Was ist also die Alternative zu kriminelle Banken retten? Und was kann eine Bewegung tun, wenn die regierende Partei mit den 1% unter einer Decke steckt?

So sieht Demokratie aus, wenn Banken außer Kontrolle geraten

In den 1980er Jahren entfernten sich Norwegen und Schweden von dem, was bisher gut für sie war – dem demokratischen Sozialismus – und flirteten mit dem Neoliberalismus. Sie deregulierten und überließen die Finanzsektoren sich selbst. Die privaten Banken spekulierten und erzeugten Immobilienblasen. In den frühen 90er Jahren platzten die Blasen. Beide Nationen rutschten in eine Krise.

In Schweden waren 90 Prozent des Bankensektors von massiven Verlusten betroffen. Zum Glück regierten die Sozialdemokraten, die Partei der Arbeiterklasse, und sie entschieden sich gegen Rettungsschirme. Die Regierung verstaatlichte zwei der Banken, beschützten ein paar bei denen Überlebenschancen bestanden und ließ zu, daß der Rest bankrott ging. Die Aktienbesitzer bekamen nichts.

Wie man sah, waren drei der anderen großen Banken in der Lage, das erforderliche Kapital privat aufzubringen. Es wurden wieder Regelungen eingeführt und mit Schweden ging es aufwärts.

Diese Schwedische Version der gütigen Strenge hat die Wirtschaft derart gestärkt, daß 2008, als fast ganz Europa von der Finanzkrise gebeutelt wurde, für Schweden ein paar flexible Maßnahmen zur Minimierung der Störungen genügten. Die Banken des Landes waren bereits konsolidiert. Sein berühmtes soziales Sicherheitsnetz gewährte den Schweden weiterhin eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, Krankenversicherung, Schule und Ausbildung.

Das Resultat: 2011 nannte die Washington Post Schweden den “Rockstar der wirtschaftlichen Erholung”, mit doppelt so hohem Wirtschaftswachstum wie die Vereinigten Staaten, niedrigerer Arbeitslosigkeit und einer robusten Währung.

Als die Banken Norwegens außer Kontrolle gerieten, bemächtigte sich die Labor-Regierung der drei größten Banken, schmiß das leitende Management raus und sorgte dafür, daß die Aktionäre keine einzige Krone bekamen.

Die nun verstaatlichten Banken bekamen ein neues, rechenschaftspflichtiges Management und Zeit, alles wieder in Ordnung zu bringen. Die Regierung erklärte dem Rest des privaten Bankensektors, daß er allein zurecht kommen muß: Wenn die Bankiers Geld im Sparstrumpf haben, mit dem sie sich selber sanieren könnten, ist das gut; wenn nicht, können sie bankrott gehen. Es gäbe keine Möglichkeit, daß die Bürger Norwegens sie retten würden.

Die Lektion für den gesamten norwegischen Finanzsektor war unmißverständlich. Kein weiteres fahrlässiges Risiko: Riskieren Sie ihr eigenes Geld, nicht das anderer Leute. Banken die Geld in Sand setzen wird erlaubt, bankrott zu gehen, egal wie groß sie sind.

Die Regierung verkaufte nach und nach seine Anteile an den verstaatlichten Banken und machte einen Nettogewinn. Sie behielt einen Mehrheitsanteil an der größten Bank, wahrscheinlich zur Sicherheit, um zu verhindern, daß die Bank an ausländische Eigentümer verkauft wird.

Der Vizepräsident der St. Louis Federal Reserve Bank Richard G. Anderson befaßte sich mit den Reaktionen von Schweden und Norwegen auf ihre gleichzeitigen Finanzkrisen: “Die Lösung der Nordic Bank wird von vielen als die erfolgreichste in der Geschichte angesehen”, so schloß er. Durch das Zurückschlagen mit effektiven Eingriffen der Regierung, haben Norwegen und Schweden das Syndrom der “verlorenen Dekade” vermieden, das Japan nach seinem Zusammenbruch in den frühen 1990er Jahren hartnäckig verfolgte und das nun für die Vereinigten Staaten und einen Großteil Europas Wirklichkeit ist.

Den Aktivisten in den vielen Ländern, denen nun harte Sparkurse bevor stehen, können diese Beispiele als konkrete Alternative mit nachgewiesenem Erfolg dienen.

Doch was tun, wenn Deine Regierung in den Händen der 1% ist?

Über Jahrzehnte folgte Island dem “nordischen Modell”, mit hohem Lebensstandard, freier Hochschulbildung, Gesundheitsversorgung für alle, Vollbeschäftigung und einer starken Arbeiterbewegung. Die Regierung besaß die wichtigsten Banken.

Dann, in den späten 90ern wechselte die politische Führung Islands. Man fing an, Banken zu privatisieren und folgte dem internationalen Trend, der durch die Aufhebung des Glass-Steagall Gesetzes [PDF] in den Vereinigten Staaten ausgelöst wurde, ein Gesetz, das Investment-Banking vom normalem Bankgeschäft trennte. Nun waren die Banken frei, Besitzanteile in den Firmen ihrer Kunden zu übernehmen.

Indem sie den guten Ruf der isländischen Wirtschaft ausnutzten, eröffneten die größten Banken Niederlassungen im Ausland und kauften fremde Finanzinstitute. Sie begingen den Fehler der norwegischen und schwedischen Banken und erzeugten eine Immobilienblase und gingen dann noch weiter, indem sie hoch riskante Kredite an Beteiligungsgesellschaften vergaben. Wie in Zypern, blähten sich die isländischen Banken wie Luftballone auf, wurden um ein Mehrfaches größer als das isländische Bruttoinlandsprodukt.

2008 fiel Island einem der größten Bankzusammenbrüche der Geschichte zum Opfer. Arbeitslosigkeit und Inflation schossen in die Höhe. Im September befand sich die isländische Wirtschaft im freien Fall.

Aktivisten schlossen sich zu einer gewaltfreien Basisbewegung zusammen, um den Rücktritt der Regierung zu fordern. Sie versammelten sich in großer Zahl vor dem Parlamentsgebäude, schlugen auf Töpfe um Pfannen, um die Sitzungen im Innern zu unterbrechen – sie nannten es die “Küchengeräte-Revolution”.

Die Menschenmassen wuchsen auf 10.000 an – bei einer Gesamtbevölkerung von 320.000 – und die zunehmenden Turbulenzen zwangen den Premier Geir H. Haarde anzukündigen, daß er und sein Kabinett zurücktreten werden und es Neuwahlen geben wird. Obwohl die für das finanzpolitische Leben Islands verantwortlichen Politiker zurück traten, gaben sich die Aktivisten der Bewegung an diesem Punkt noch nicht zufrieden; sie forderten – und hatten damit Erfolg – den Rücktritt des Hauptvorstandes der Zentralbank.

Nun mischte sich die Partei ein, welche die Arbeiterklasse vertritt und versprach, daß es keine Rettungsgelder geben wird; und deshalb brachen die drei größten Banken zusammen. Die Regierung sorgte dafür, daß die isländischen Sparer ihr Geld zurück bekamen und gewährte bedrängten Heimeigentümern Schuldenerlaß. Firmen die vor dem Bankrott standen, jedoch Einnahmen hatten, wurden die Schulden erlassen. Die Regierung wertete ihre Währung ab, um Islands wichtigen Exportmarkt zu unterstützen.

Das Folgende dürfte für Aktivisten, die sich wehren wollen, besonders interessant sein: Island erkannte die Milliardenschulden gegenüber britischen und niederländischen Bürgern nicht an, die bei Online-Niederlassungen isländischer Banken Geld angelegt hatten. Von diesem Schachzug gingen Schockwellen durch die gesamte internationale Finanzwelt aus, trotzdem lehnten es die gewöhnlichen Isländer ab, für das wahnsinnige Benehmen ihrer Bänker verantwortlich zu sein. Diese Frage wurden den Wählern in zwei Referenden vorgelegt und zwei Mal sagten die Isländer “Nein”.

Anstatt zu versuchen, die internationalen Investoren zufrieden zu stellen, schuf Island Kontrollen für Kapitalbewegungen. Anstatt einen harten Sparkurs zu verlangen, erweiterte die Regierung sein soziales Sicherungsnetz. Das Resultat? Island erholt sich. Bis Juli 2012 lag die Arbeitslosigkeit bei 6 Prozent mit fallender Tendenz. Für die Wirtschaft wurde ein Wachstum von 2,8 Prozent erwartet.

Wie Ben Chu vom The Independent hervor hob, haben sowohl europäische Politiker als auch Rating-Agenturen seit der internationalen Krise von 2008 “verlangt, daß nationale Regierungen die Schulden ihrer Bankenbranche anerkennen, ihre Wechselkurse schützen, Einschränkungen des Kapitalflusses unterlassen und einen massiven Sparkurs verordnen, um das Vertrauen der Anleihenmärkte wieder zu gewinnen”.

Island hat diese Forderungen weitgehend ignoriert. Haben die Investoren Island dafür bestraft, so klug und von sich selbst überzeugt zu sein? Nein. Im Juni 2011 gab die Regierung Staatsanleihen von einer Milliarde Dollar mit einem Zinssatz von 6 Prozent aus, ein Angebot, das von Investoren zweifach überzeichnet wurde.

Für Zypern mag es an der Zeit sein, Tyrannen wie… , nun eben wie Tyrannen zu behandeln. Vielleicht ist es die Rolle der kleinen Länder, sich wie Erwachsene zu benehmen und Verantwortlichkeit durchzusetzen: Jene welche die Sauerei angerichtet haben, sollen sie auch wieder weg machen. Doch damit dies passiert, brauchen wir Bürgerbewegungen. Bewegungen die eine Vorstellung davon haben, wie die Alternative aussieht.


George Lakey ist Gastprofessor am Swarthmore College und Quäker. Er hat 1.500 Workshops auf fünf Kontinenten geleitet, sowie politische Projekte auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Er hat viele Bücher und Artikel veröffentlicht und schrieb “Strategizing for a Living Revolution” für das Buch “Globalize Liberation” (City Lights, 2004) von David Solnit. Das erste mal wurde er wegen einem Sit-in für Bürgerrechte festgenommen, zuletzt mit einer Earth Quaker Aktionsgruppe beim Protest gegen eine Bergtagebau-Kohlemine (mountain top removal).


Der Original-Artikel “People of Cyprus: Follow the Vikings!” wurde von Waging Nonviolence unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 veröffentlicht. Für diese Übersetzung gilt das Lizenzmodell dieses Blogs.

Waging Nonviolence auf Twitter: @wagingnv


Ergänzende Videos:


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Erstellt: 24. März 2013 00:32
Geändert: 25. März 2013 19:46
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