BPA Belastung verändert Stammzellen und verringert Spermienproduktion
28. Januar 2015 13:25
Autor: Brian Bienkowski, 22.01.2015, für Environmental Health News
Übersetzung: BrunO
BPA und andere östrogene Verbindungen stören die Entwicklung von Stammzellen, welche bei Mäusen für die Produktion von Spermien verantwortlich sind. Dies deutet darauf hin, daß eine derartige Belastung für die bei Männern sich verringernden Spermienzahlen mitverantwortlich sein könnte, wie eine neue Studie ergeben hat.
Die von PLoS Genetics veröffentlichte Studie ist die erste die nahelegt, daß niedrige, kurzzeitige Belastungen mit Bisphenol-A oder anderen Östrogenen, wie etwa jene die zur Verhütung eingesetzt die Gewässer belasten, in frühen Lebensabschnitten Stammzellen verändern können, welche in späteren Lebensabschnitten für die Produktion von Spermien zuständig sind.
Eine Belastung mit Östrogenen "wirkt sich nicht einfach nur auf die gerade produzierten Spermien aus, sondern beeinträchtigt die Stammzellenpopulation. Dies wird sich auf die Spermienproduktion während des gesamten Lebens auswirken", sagt Patricia Hunt, Genetikerin an der Washington State University, Leiterin der Studie.
BPA ist eine allgegenwärtige Chemikalie, die in den meisten Menschen nachweisbar ist und zur Herstellung von Polykarbonat verwendet wird. Sie kommt auch in Beschichtungen von Konservendosen und Kassenzetteln vor. Die Menschen sind ebenso den synthetischen für Verhütungszwecke verwendeten Östrogenen ausgesetzt, welche überall nachweisbar die Gewässer belasten, selbst nach der Klärung.
Die oberste amerikanische Behörde für Lebensmittel und Arzneimittel (FDA) hat 2012 BPA zur Herstellung von Babyfläschchen verboten, ist aber weiterhin der Ansicht, daß die derzeitige Verwendung von BPA für Lebensmittelbehälter und Verpackungen sicher ist. Und erst kürzlich (21.01.2015) hat die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit in einer neuen Bewertung erklärt, "von Bisphenol-A gehen keine Gesundheitsrisiken für den Verbraucher aus".
Die Studie von Hunt liefert jedoch einen weiteren Beleg, daß wir durch niedrige Belastung mit diesen Verbindungen geschädigt werden können.
Hunt und ihre Kollegen setzten einen Teil von neu geborenen Mäusen einer Belastung mit BPA aus, einen anderen Teil exponierten sie mit einem synthetischen Östrogen, das zur Verhütung und Hormontherapie eingesetzt wird.
Diese Belastungen - die etwa der menschlichen Exposition gegenüber diesen Substanzen entsprechen - verursachten in den für die Spermienproduktion verantwortlichen Stammzellen "dauerhafte Veränderungen", wie die Autoren schreiben.
Die Forscher haben zudem diese Stammzellen in nicht belastete Mäuse verpflanzt und so die Auswirkung auf die Entwicklung der Spermien belegt.
Dies ist ein "ernüchternder Hinweis" auf mögliche schädliche Auswirkungen einer kurzzeitigen Belastung, sagte Mary Ann Handel, eine leitende Wissenschaftlerin vom auf genetische Forschung spezialisierten Jackson Laboratory.
Forscher haben erst kürzlich festgestellt, daß sich eine Belastung mit BPA auf die Größe der Hoden und die Entwicklung der Spermien von Mäusen und auf das Wachstum der Prostata auswirkt. Doch was Hunt und ihre Kollegen gemacht haben, ist etwas anderes - sie haben einen möglichen Grund gefunden, weshalb dies geschieht: Veränderungen in den Stammzellen, die für die männliche Reproduktion unverzichtbar sind.
"Zu den negativen Auswirkungen östrogener Chemikalien auf den sich entwickelnden männlichen Organismus zählen eine immer länger werdende Liste von unmerklichen Veränderungen des sich entwickelnden Gehirnes, des reproduktiven Traktes und der Hoden", schrieben die Autoren. "Veränderungen in allen dreien haben das Potential, größere reproduktive Auswirkungen zu verursachen... biologische Erklärungen gibt es noch nicht".
Im Verlauf weniger Jahrzehnte haben Forscher die Abnahme von Spermienzahl und Qualität sowohl in Europa und Japan als auch in den Vereinigten Staaten festgestellt. In Dänemark haben über 40 Prozent der jungen Männer Spermienzahlen, die Unfruchtbarkeit oder verringerte Fruchtbarkeit bedeuten.
"Wenn man nachweist, daß man Stammzellen auf diese Art schädigen kann - ist das ein Hammer", meint Frederick vom Saal, Wissenschaftler an der University of Missouri, der an der Studie nicht beteiligt war. "Diese Belastung kann durchaus die Grundlage für einen generationsübergreifenden Verlust an Spermienaufkommen sein".
Die Spermienproduktion ist ein kontinuierlicher Prozeß: Nachdem junge Männer die Pubertät erreicht haben und anfangen Spermien zu produzieren, beginnen die Stammzellen sich langsam zu teilen und geben neue Zellen zur Produktion von Spermien ab.
Und, obwohl es einige Einschränkungen gibt, Ergebnisse des Mausmodelles auf Menschen zu übertragen, haben ihre reproduktiven Systeme "die gleichen Grundlagen", sagte Hunt.
Nichtsdestotrotz schreibt Steven Hentges vom American Chemistry Council, der die chemischen Hersteller vertritt in einer Email-Antwort, daß mehrere große Studien "übereinstimmend keine reproduktiven Auswirkungen auf Männer oder Frauen bei Belastungswerten nachweisen, die auch nur entfernt jenen Werten nahe kommen, denen Menschen tatsächlich ausgesetzt sind".
Er sagt, Hunts Studie habe "eine begrenzte Relevanz für die menschliche Gesundheit" und daß die verwendeten Dosen sehr viel höher wären als die aktuelle menschliche Belastung. 1)
Hunt sagt, das stimmt nicht.
"Die Dosen die wir benutzt haben basieren auf vorausgegangenen Studien und haben sehr niedrige Blutwerte zur Folge, die niedriger als jene sind, die bei Menschen festgestellt wurden".
Vom Saal sagt, es ist wichtig in zukünftigen Studien zu prüfen, ob die durch die Belastung hervorgerufenen Veränderungen an Folgegenerationen weitergegeben werden. Hinweise legen nahe, daß östrogene Substanzen offenbar die Fähigkeit von Genen verändern, richtig zu funktionen, ein Phänomen das man als epigenetische Veränderungen bezeichnet.
Wenn solche Veränderungen vorkommen, kann das ähnliche Probleme für die Spermienproduktion nachfolgender Generationen bedeuten. Und "weil die meisten Menschen beständig einer Belastung mit BPA und anderen östrogenen Substanzen ausgesetzt sind, könnte sich das mit jeder Generation ein bißchen mehr verschlimmern", erläuterte vom Saal.
Hunt und ihre Kollegen hatten jedoch ein Problem. Es gibt Nebeneffekte wie etwa Einlagerung von Flüssigkeit, was es erschwert, die Stammzellen-Forschung einen Schritt weiter zu bringen und nach Korrelationen zwischen Spermienzahl und Daten über Reproduktivfähigkeit zu suchen.
"Expositionen wirken nicht nur auf die Hoden, sondern auf das ganze Tier", sagt Hunt.
Hunt gibt zu daß dies "komplizierte genetische Fragen" sind, doch sie sagt, daß dies sehr sehr bedeutende Konsequenzen hat.
"Dies hat etwas mit Zellen ganz weit flußaufwärts zu tun" und kann für die "Generationen welche nach der Exposition folgen" zum Problem werden, erklärte sie.
Der Original-Artikel "BPA exposure linked to changes in stem cells, lower sperm production" wurde von wurde von Environmental Health News unter CC: BY-SA veröffentlicht. Für diese Übersetzung gilt das Standard-Lizenzmondell dieses Blog. Also keine kommerzielle Nutzung!
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1) Hier spricht ein Demagoge! Vielleicht weiß er selbst, daß EDCs bei niedrigen Dosen wirken und nicht dem linearen Modell der Toxikologie folgen, aber er greift auf das populärwissenschaftlich verbreitete Verständnis von Toxizität zurück, nach welcher höhere Dosen gefährlicher sind. Folglich muß er auch behaupten, die in der Studie angewendeten Dosen wären höher als die, denen Menschen im Alltag ausgesetzt sind. Daß das Paracelsische Paradigma nicht auf alle Stoffe zutrifft, ist noch ein langer Weg für Wissenschaft und Allgemeinbildung. Solange haben Leute wie er in der Öffentlichkeit leichtes Spiel. Leseempfehlung wäre hier: Thomas S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Frankfurt 1978, Original Chicago 1962. Kuhn zeigt, wie langsam Paradigmenwechsel vor sich gehen und daß die dabei geführten Debatten nicht immer mit Wissenschaft, sondern oft mit Wahrung von Interessen zu tun haben.
Wer sich mit BPA weiter befassen möchte, wird hier fündig:
http://ufocomes.de/sources/bpa_links.html
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Erstellt: 28. Januar 2015 13:25
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