Heute haben in München zwölf Unternehmen die Gründung ihrer Initiative “Desertec” bekannt gegeben. Sie wollen bis 2050 ca. 15 Prozent des europäischen Strombedarfs mit einer riesigen Solarkraftanlage in der Sahara decken. Das kann in zahlreichen Meldungen nachgelesen werden. Ich verweise hier auf die Pressemeldung von Greenpeace, die mich ein wenig befremdet hat.
Ich begrüße es ebenfalls, wenn anstelle von Kernenergie ausnahmsweise mal auf Sonnenenergie gesetzt wird, doch wundert mich, weshalb der Sinn von solchen Großprojekten nicht hinterfragt wird. Weil ich hier nicht über Greenpeace diskutieren möchte lasse ich es offen, ob Greenpeace nur taktiert oder gar politischen Fragen die nichts mit Umweltschutz zu tun haben ausweicht.
Ob das Vorhaben wirklich ernst gemeint ist und die betroffenen Länder gleichberechtigt beteiligt werden, muß sich erst erweisen. Spontan drängen sich mir Zweifel an der Machbarkeit auf. Ist es wirklich möglich, die von Afrika geklaute elektrische Energie als Gleichstrom per Kabel nach Europa zu übertragen? Hat das u.U. ökologisch schädliche Auswirkungen? Wird das Mittelmeer zu einem galvanischen Bad? Gibt es irgendwann “natürlich” vergoldete Seepferdchen als Ohranhänger? Zum anderen bin ich davon überzeugt, daß der Mensch für fast jedes technische Problem eine Lösung findet. Mit den Folgen umzugehen oder gar soziale Probleme zu lösen, ist viel schwieriger. So hatten nach dem Weltwasserbericht von UNICEF und WHO trotz aller technischer Möglichkeiten zur Wasseraufbereitung 2004 eine Milliarde Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Dieser Mißstand besteht immer noch. Durch die sogenannte Weltwirtschaftskrise und die Kommerzialisierung dieser essentiellen Ressource wird er verschärft. Hunger ist kein Problem der Produktion von Lebensmitteln, selbst wenn dies Vertreter der Gen-Saatgut- und Kunstdünger-Lobby seit Jahrzehnten erzählen.
Was soll nun so ein Großprojekt? Man könnte meinen, da wir bisher mit islamischem Öl ganz gut gefahren sind, probieren wir es nun eben mit Sonnenenergie. Dort knallt die Sonne in wenigen Stunden das runter, was die Welt derzeit pro Jahr benötigt. Bei uns braucht die Sonne dagegen einen ganzen Tag, um uns mit unserem Jahresbedarf zuzuschütten. Ich belege diese Zahlen nicht, da sie nichts mit der Praxis zu tun haben. Wenn wir Pech haben, gilt das aber auch für die erwartete Ausbeute in der Sahara. Politische Implikationen möchte ich nur andeuten und auf die seriöse Presse verweisen: Man könnte uns in der Sahara einfach ausknipsen.
Der Unterschied zwischen dem Einsatz von Atomenergie und diesem Großprojekt ist nicht wesentlich. Man möchte immer ein Problem möglichst umfassend mit einer einzigen endgültigen Lösung totschlagen. Großprojekte bilden die Form wie sich der Kapitalismus organisiert exakt ab. Große am besten weltweit einzige Konzerne träumen von solchen gigantischen Anlagen. Daß dies Wunschdenken ist, ändert nichts am Streben danach. Anscheinend haben sich gerade dezentrale Managementmodelle als effektiver erwiesen. Wer von Eric S. Raymond den Vortrag ‘Die Kathedrale und der Basar’ von anno 1999 nachliest, wird darin ähnliche Grundgedanken wie in manchem Management-Beratungs-Geblubber entdecken.
Großprojekte und die damit notwendig werdenden Sicherheitsvorkehrungen verleihen der Politik welche die Rahmenbedingungen schafft totalitäre Züge. Darauf hat Robert Jungk 1977 in seinem Buch “Der Atomstaat. Vom Fortschritt in die Unmenschlichkeit” hingewiesen. Die Gefährlichkeit der Stoffe, mit denen beim Einsatz der Kerntechnik hantiert wird, treibt diese Tendenz auf die Spitze. Die Entwicklung nahm jedoch einen anderen Verlauf als von Jungk befürchtet. Heute treibt die ökonomische Globalisierung totalitäre Tendenzen voran. Wenn die Maximierung der Rendite das einzige Ziel allen Handelns sein soll, leben wir längst in einem neuen totalitären System dessen Religion die Betriebswirtschaftslehre ist.
Ich kritisiere solche Großprojekte, weil ich kleine dezentrale Lösungen für die besseren halte. Dezentrale Strukturen sind stabiler und in gleichem Maße weniger zu kontrollieren wie zu mißbrauchen. Wenn wo was schief geht, muß das nicht gleich fatale Folgen für’s Ganze haben. Zentrale Lösungen schließen viele Menschen aus. Dezentrale Lösungen machen die Menschen vor Ort zu den Handelnden. Ich teile die “Schöne Welt”-Träume des Kapitalismus nicht. Falls es in der Fantasie unserer regierenden Politiker nur Großprojekte als Lösung für die Probleme der Menschheit gibt bin ich dankbar, schon etwas älter zu sein und das alles nicht erleben zu müssen. Wenn ich 2050 noch lebe, gibt das einen Kasten Bier extra!
Wie viele sinnvolle Arbeitsplätze ließen sich schaffen, wenn man auf jedes geeignete Hausdach eine Photovoltaik oder einen Sonnenkollektor plazieren und wenn man das dafür erforderliche Gerödel nicht im großindustriellen Stil in Hongkong sondern bei uns von mittelständischen Betrieben herstellen lassen würde? Trotzdem würde uns der technische Fortschritt immer wieder einholen und mit unbequemen Fragen in die Enge treiben: Sinn der Arbeit, Sinn des Lebens, Recht auf Existenz, bedingunsloses Grundeinkommen, weltweite Gerechtigkeit usw.
Wird mit diesem Großprojekt vielleicht nur die nächste Runde für das Abzocken von Milliarden an Fördermitteln eingeläutet? Wurde nicht mit den Atomkraftwerken die Lösung aller Energieprobleme für alle Zeiten versprochen und was ist da an öffentlichen Geldern hineingeflossen?
Weil es paßt, beende ich das Thema Solargigantomanie und komme auf das Internet zurück (ggf. also tschüssi!).
Das Internet entspricht mit seiner dezentralen Struktur überhaupt nicht dem Modell des Kapitalismus für Großprojekte und muß deshalb bekämpft werden. Die Angst vor Dingen die man nicht versteht, kommt bei beschränkten Gemütern beflügelnd hinzu. Das Web war ein Betriebsunfall. So etwas hätte es nie für die Allgemeinheit geben dürfen. Der Ansatz des ursprünglichen Arpanets war ein rein militärischer. Man wollte ein unverwundbares Informationsnetzwerk schaffen. Daß sich so eine Struktur hervorragend zur öffentlichen wie privaten Kommunikation und Information eignet und ein derartiger Selbstläufer wird, konnte niemand vorhersehen. Nun wird gejammert, weil es ohne großen Aufwand einen unzensierten Blick auf die ganze Bandbreite der Wirklichkeit von Gut bis Böse gestattet.
Neue Medien mußten schon immer durch Obrigkeiten kontrolliert werden, die durch sie ihre Macht gefährdet sahen. Beim Buchdruck hat es aus unserer Sicht verhältnismäßig lange gedauert. Die Gutenberg-Bibel ist um 1455 herum erschienen. 1515 verlangte Papst Leo X in der Bulle ‘Inter sollicitudines’, daß jedes neue Buch der Kirche zur Genehmigung vorgelegt werden muß.
Der Rundfunk wurde schneller reglementiert. 1897 gelang der Versuch, eine Nachricht mit elektromagnetischen Wellen zu übertragen. Daraus entwickelte sich rasch die Funktelegraphie. Als 1918 revoltierende Arbeiter eine Falschmeldung über ihren Sieg aus der besetzten Zentrale des deutschen Pressenachrichtenwesens funkten, wurde die staatliche Funkhoheit eingeführt (übrigens durch die SPD), damit sowas nicht noch einmal passiert.
Die technische Infrastruktur für den Rundfunk entwickelte sich erst allmählich. Die Fähigkeiten der Empfangsgeräte waren von Anfang an durch Bestimmungen beschränkt. Man sollte nicht alles hören können und ein back channel war nicht vorgesehen. Schade, große Chance für die Menschheit vertan!
1920 fand eine erste Rundfunksendung als technische Demo statt. Sie wurde von Angehörigen der Deutschen Reichspost im Stil einer Schuljahrabschlußfete gestaltet. Am 29.10.1923 ging die erste kommerzielle Unterhaltungssendung on air. Zuerst gab es ähnlich wie für das Web kein explizites Rundfunkrecht. Die Darbietungen wurden im Rahmen der damals gültigen Gesetze von Gesellschaften des privaten Rechts gesendet. Da diese Betreibergesellschaften auf Initiative der Reichspost entstanden, konnte der Staat seinen Einfluß trotz Ermangelung von Beteiligungskapital von Anfang an sichern.
Das Internet schlug genausowenig wie der Rundfunk in einem rechtsfreien Raum auf. Wikipedia bietet eine schöne Aufstellung von Gesetzen, die für das Internet relevant sind. Prof. Dr. Thomas Hoeren, Mitarbeiter des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht an der Wilhelms-Universität in Münster sieht die Wurzeln des Internetrechts in den frühen 70’er Jahren. Mit der Einführung der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) wurden Fragen des Datenschutzes diskutiert. Über die Webseite seiner Uni bietet er sein bekanntes Kompendium Internetrecht (PDF-Link) zum freien Download an.