Initiative Pro Netzneutralität

Underdog eats Underdog

6. August 2009 22:11

Die Welt berichtet über zwei Urteile des Frankfurter Sozialgerichts, nach denen Hartz-IV Empfänger Anspruch auf ein gebrauchtes Fernsehgerät haben. Als ich dies las, hatten bereits 131 Leser einen Kommentar hinterlassen. Ein Großteil davon ist erschreckend reaktionär. Arbeitslosen wird nicht nur kein Fernsehgerät gegönnt, unverholen wird Zwangsarbeit als Maßnahme gegen solche Schmarotzer vorgeschlagen.

Die Frage wie wichtig ein Fernsehapparat ist kann ruhig gestellt werden. Ob ein Fernseher zum Lebensstandard gehört haben in der zum Artikel gehörenden Online-Umfrage 51 Prozent von 1532 Lesern mit Ja beantwortet. Für immerhin 49 Prozent ist die Glotze genauso irrelevant wie für mich.

Man kann diese Urteile auch so interpretieren: Das Gericht hat den Klägerinnen ein Recht auf Information zugesprochen. In den meisten Haushalten wird zu diesem Behuf ein Gerät für den Empfang von Fernsehprogrammen vorgehalten. Da das Fernsehprogramm nicht die einzige Informationsquelle ist, schlage ich vor, daß Harz-IV Empfänger wahlweise Mittel für eine Glotze, einen Computer, ein Radio oder für das Abonnement mehrerer gedruckter Medien beantragen können dürfen sollten.

Für viele der Kommentarschreiber scheint die Lösung unserer Probleme darin zu bestehen, das soziale Niveau noch weiter nach unten zu drücken, statt eine anständige Bezahlung von Arbeit zu fordern. Es ist nicht zu leugnen, daß es manchen Arbeitslosen nicht schlechter geht als jenen, die von einer schlechten Bezahlung ihrer Arbeitskraft leben. Aber scheinbar reicht es ja für einem selber, wenn man es anderen nicht gönnt. Es ist beschämend zu sehen, wie in der Not die Ellbogen ausgefahren werden. Keine Gedanken werden daran verschwendet, daß Arbeitslosigkeit unabhängig vom individueller Schuld oder Unschuld der Arbeitslosen ein gesellschaftliches Problem ist. Menschliche Arbeit wird als teurer Kostenfaktor der Produktion immer mehr entweder in Billiglohnländer ausgelagert oder Dank des technischen Fortschritts vermieden. Das sind mittlerweile Binsenweisheiten, aber niemand darf etwas geschenkt bekommen, solange man selber dafür arbeiten muß. Immer schön das Maul halten, nie die Spielregeln hinterfragen und nach unten kräftig treten. Hoffen, daß es einem selber nie erwischt.

Es müßte eigentlich längst eine große öffentliche Diskussion über das Bedingungslose Grundeinkommen laufen, wenn man diese Probleme langfristig gerecht lösen wollte. Es ist nicht nur der “böse Kapitalismus” der nur Kosten minimiert um Gewinne zu maximieren. Wenn eine Arbeit von einer Maschine erledigt werden kann, braucht sich kein Mensch damit abrackern, nur damit jeder arbeitet. Die bisherige Vorstellung nach welcher wer nicht arbeitet auch nicht essen soll, geht von sehr überholten Begriffen von Arbeit und von einem äußerst negativen Menschenbild aus. Daß Arbeit immer noch als Mittel zur Disziplinierung aufgefaßt und eingesetzt wird wundert wenig wenn man weiß, daß Manufakturen und Fabriken historisch aus Strafanstalten entstanden sind. Lohnarbeit stellte schon immer nur einen Teil der für eine Gesellschaft geleisteten Arbeit dar. Es ist sogar so, daß unbezahlte Arbeit ungeachtet ihres Nutzens als minderwertig angesehen wird. Z.B. Kinder liebevoll groß ziehen oder Wäsche waschen. Ist keine Arbeit für echte Kerle.

All das könnte in einer Situation wie der aktuellen diskutiert werden, anstatt daß die einen Betrogenen auf die anderen Verlierer einschlagen.

Natürlich gab es nicht nur reaktionäre Kommentare. Einige waren vernünftig und manche waren schön ironisch. So müßten Arbeitslose unbedingt eine Glotze bekommen, damit sie systemkonform verblöden und ruhig gestellt sind.

Wenigstens einer rückte die Relationen zurecht: An der Spitze der Gesellschaft wird mehr Geld verbrannt als unten. Wer’s nicht glaubt soll sich daran erinnern, wie unanständig schnell astronomische Summen für die Bankenkrise locker gemacht wurden, während über mehr Geld z.B. für Kultur oder Entwicklungshilfe seit Jahren um Promille-Beträge gefeilscht wird.

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Erstellt: 6. August 2009 22:11
Geändert: 6. August 2009 22:16
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