Initiative Pro Netzneutralität

Auto-Nation Deutschland

9. September 2009 18:40

Am 19.08.2009 beschloß die Bundesregierung den Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität (PDF). Obwohl im ausführlichen Text des Dokuments gezeigt wird, daß andere schon viel weiter sind, wird so getan, als ob die Entwicklung eines elektrisch angetriebenen Kraftfahrzeuges gerade erst beginnen würde und es ohne Deutschland niemals ein perfektes Elektroauto geben könne. Penetrant wird die technologische Führungsrolle Deutschlands auf diesen Gebiet herbei geträumt. Deutschland soll sich zu einem Leitmarkt für Elektromobilität entwickeln. Dabei kann man im Text nachlesen, was andere Länder in die Entwicklung eines Elektroautos investieren (wollen).

Frankreich will in den nächsten vier Jahren 400 Millionen Euro für die Entwicklung ausgeben. In China will man bis 2011 ungefähr 3 Milliarden Euro ausgeben und die USA planen für die nächsten 10 Jahre rund 120 Milliarden Euro ein. In Japan sollen in den nächsten fünf Jahren 280 Milliarden Euro ausgegeben werden. Und Deutschland?

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung stellt 100 Millionen Euro für die Fahrzeugtechnik in Aussicht. Die Industrie verpflichtet sich 500 Millionen für die Entwicklung bereit zu stellen. Für die Forschung zur Infrastruktur der Energieversorgung sollen bis 2012 etwa 140 Millionen Euro aus Bundeshaushalt und Industrieportemonais zusammengekratzt werden. Vielleicht kommt mit anderen nicht genannten Aufwendungen gerade mal eine schwindsüchtige Milliarde zusammen. Reicht das für die Führungsrolle?

In die aussterbende auf Erdöl basierende Mobilität hat Deutschland mit der Abwrackprämie das fünffache investiert. Wohl deshalb heißt es gleich zu Beginn des Textes, daß der Verbrennungsmotor auf absehbare Zeit seine Bedeutung für den Verkehr behalten wird. Bis 2020 sollen aber 1 Million Elektroautos rumfahren. Mir scheint das nicht sehr viel zu sein.

Es gibt wenig Positives zum Entwicklungsplan zu sagen, dabei wäre genau dieses sehr viel, wenn es ernst gemeint wäre! So sehen die Autoren das Elektroauto als Teil eines Gesamt-Energiekonzeptes. Daß dieses auf alternative Energiequellen und nicht auf Atomkraft setzt, ist fast wie Weihnachten für Umweltverbesserer. Oder gut abgeschrieben. Es wird sogar erkannt, daß man für die Elektromobilität fluktuierende Energiequellen nutzen könnte. Allerdings hat dies nichts mit Autos zu tun. Das haben Akkus generell so an sich. Man kann sie selbst mit unregelmäßig zur Verfügung stehendem Strom aufladen. Vielleicht wäre es tatsächlich möglich, die rollenden Akkus wie im Text vorgeschlagen als Speicher für das gesamte Stromnetz zu verwenden. Viele Autos stehen die meiste Zeit nur in der Gegend rum. Die könnten fest verkabelt werden. Warum nicht noch ein Solarpanel auf’s Dach? Das könnte zugleich als Windsegel oder ggf. Vertikalrotor sowie als vermietbare Werbefläche dienen.

Gesundheitspolitische Überlegungen kommen im Entwicklungsplan gar nicht vor. Dabei war die bisherige Form unserer Mobilität der Gesundheit eher abträglich. Ursache für die schlechte Luftqualität in den Innenstädten ist größtenteils der Autoverkehr. Allein aufgrund der Feinstaub- und Lärmbelastung dürften an manchen Kreuzungen keine Menschen wohnen, würde man es gut mit ihnen meinen. Allergien und komplexe umweltbedingte Krankheiten wie MCS nehmen zu. Böte die Neuerfindung des Autos nicht die Chance, hier manches besser zu machen? Z.B. gesündere Materialien zu verbauen, damit Menschen die auf Chemikalien reagieren Autos benutzen können. Umweltschutz wird gerne auf geringeren Energieverbrauch und vielleicht noch auf Schonung von Ressourcen reduziert. Der Mensch wird vergessen. Dabei reagieren immer mehr Menschen auf Spuren problematischer Stoffe, die von den anderen vertragen werden. Aus Vorsicht sollten wir darin ein Alarmsignal für die noch gesunden sehen. Es wäre angebracht darauf achten, daß mit den Materialien der massenhaft benötigten Akkumulatoren nicht neue Umweltprobleme und Krankheitsgefahren auf uns zukommen. Warum muß sich so etwas immer erst im Nachhinein herausstellen? Und wäre es nicht endlich an der Zeit, über den Rückbau von Verkehrswegen nachzudenken, statt immer mehr Fläche zu verbrauchen? Wäre mehr Grün in den Städten nicht entspannender als schneller voran zu kommen? Würde eine bessere Qualität des Lebensraumes längere Wege nicht aufwiegen? Könnte der Zeitverlust nicht als wohltuende Entschleunigung bewußt eingeplant und genossen werden? Wo bleiben die neuen Verkehrskonzepte zur Elektromobilität?

Sind wir nicht schon längst elektromobil? In Berlin fahren S- und U-Bahn mit Strom und selbst Autos mit diesem Antrieb sind nichts neues. Ich erinnere mich daran, daß die Post in den 50’er Jahren Pakete elektrisch zustellte. Damals gab es bestimmt noch keine Hightech-Akkus. Ich habe den leicht jaulenden Ton dieser Fahrzeuge noch im Ohr. Ende der 90’er Jahre experimentierte die Post in Bremen erneut mit elektrischen Fahrzeugen. Mit einem Brennstoffzellensystem der Israelischen Firma Electric Fuel sollen 60.000 km Fahrleistung erbracht worden sein. Interessant war der komplette Austausch der „Zinkbatterien“. Ähnlich könnte man an Ladestationen Akkus tauschen anstatt auf deren Aufladung zu warten. Das wäre nicht viel anders als einen leeren Kasten Bier abgeben und einen vollen mitnehmen. Die Entwicklung könnte sich mehr auf ein geringeres Gewicht anstatt auf kurze Ladezeiten der Akkus konzentrieren.

Muß man eigentlich warten, bis die Bundesregierung ihr tolles Elektroauto liefern kann?

Wie wäre es mit einem LUIS für 12.000 Euro? Den läßt eine Deutsche Firma in China bauen. Wie konnte das ohne Entwicklungsplan gelingen? Oder ein TH!NK City aus Norwegen für etwa 24.000 Euro? Oder wollten Sie nicht schon immer mal mit einem Schwarzwälder Hotzenblitz Ihre Nachbarn Bauklötze staunen lassen? Die Seite elektroauto-tipp.de informiert Sie über diesen oder andere bereits käufliche Elektro-Flitzer.

Viele traditionelle Hersteller in Europa und Japan, aber auch in den USA, haben längst funktionierende Prototypen von Elektroautos in der Schublade. Auf HYBRID-AUTOS.INFO ist das alles schön zusammengetragen. Könnte es sein, daß es gar nicht an der Technik, sondern eher mit der Nachfrage klemmt? Zumindest scheinen die Gobalplayers für den Fall daß das Erdöl wirklich ausgehen sollte gar nicht so schlecht aufgestellt zu sein.

Mit Strom kann man also Auto fahren. Die Akkumulatoren sind noch schwer und zu teuer. Wieso nicht weglassen?

Die in Frankreich von Guy Négre entwickelten Aircars benötigen zwar Strom, werden aber mit aus diesem erzeugter Druckluft angetrieben. Damit kann man ungefähr 100 Kilometer weit und 110 km/h schnell fahren. Ein zusätzlicher Verbrennungsmotor kann während der Fahrt neue Druckluft erzeugen. Das erhöht die Reichweite auf 800 Kilometer. In diesem Betriebsmodus verbraucht das Auto 1,5 Liter auf 100 Kilometer. Inzwischen wird die Serienproduktion vorbereitet. Keine industrielle Großproduktion mit weiten Transportwegen, sondern eine lokale umweltfreundliche. Das Luftauto soll zwischen 3.500 und 5.000 Euro kosten. 2007 wurde mit dem Indischen Autohersteller TATA MOTORS eine Kooperation für die Weiterentwicklung vereinbart. Es wäre schön, wenn diese Technik etwas taugt und sich über den ganzen Globus verbreiten könnte. Vielleicht sollte man ab und zu auf die Homepage von Motor Development International (MDI) sehen.

Nun höre ich das Gejammere, daß man mit diesem Druckluftauto genauso wie mit den elektrischen Wägelchen nur rund 100 Kilometer weit kommt. Ist das so schlimm? Warum muß eine umweltfreundliche Technik immer mit dem Komfort der umweltschädlichen konkurrieren? Haben wir nur noch Ansprüche und keinen Idealismus mehr? Sind die positiven Eigenschaften nichts wert? Muß ein Auto wirklich alles können, selbst wenn man vielleicht nur einmal in Jahr eine längere Strecke fährt? Könnte man sich für solche Ausnahmen nicht was mieten? Wer hält sich seinen eigenen Umzugslaster um rein theoretisch jederzeit umziehen zu können? Wenn es von heute auf morgen keinen Tropfen Benzin mehr gäbe, wären wir für alles dankbar, was irgendwie fährt. Würde ein Aircar oder ein Elektroauto nicht für die meisten Städter und Berufspendler völlig ausreichen?

Das Auto als Statussymbol durch den Kakau zu ziehen spare ich mir. Wer sich selber größer machen muß, hat es wohl nötig. Autos wurden uns vom Marketing als Statussymbol eingeredet. Die westdeutsche Autoindustrie war ein cleveres Wirtschaftssystem mit dem Menschen beschäftigt und gleichzeitig davon abgehalten wurden, sich systemgefährdend politisch zu betätigen. Sie rackerten sich in den Autofabriken ab, um sich ein (neues) Auto leisten zu können. Im Osten durfte man bei Wohlverhalten jahrelang nach einem Auto lechzen, weil es keine leistungsfähige sozialistische Industrie gab. Die politisch absorbierende Wirkung wurde jedoch auch durch Arbeit erreicht. Autos sind Politik pur, aber auch Zeitgeschichte und emotional besetzte Lebensgeschichte.

Daß für den Individualverkehr genutzte Autos umweltfreundlich sein können, stelle ich in Frage. Der Individualverkehr ist meistens Verschwendung von Ressourcen und macht nur dort Sinn, wo Einzelne keine andere Möglichkeit der Mobilität hätten. Selbst dann bräuchte nicht jeder ein eigenes Auto. Carsharing entlastet Umwelt und persönliche Finanzen.

Ach was, zieht auf’s Land, haltet Euch ein Pferd und pflanzt Rosen für die Pferdeäpfel, wenn Ihr wirklich Spaß haben wollt!

Meta: , , , , , , , , , , , ,

Erstellt: 9. September 2009 18:40
Geändert: 29. Oktober 2017 16:13
URL: http://blog.ufocomes.de/index.php?id=26