Initiative Pro Netzneutralität

Das Bambusfahrrad oder der bessere Kapitalismus

2. Januar 2010 02:52

In New York gibt es das Bamboo Bike Studio für das ich hier gerne unbezahlte Reklame mache. Findige Biker fanden heraus, daß Bambusrohr mindestens genau so gut für den Rahmen eines Fahrrades geeignet ist, wie die besten Hightech-Werkstoffe. Das Bambusrohr muß nichtmal aus Japan importiert werden, denn es wächst gleich um die Ecke in New Jersey auch recht gut.

Die technischen Details dieses Gefährts möchte ich hier nicht weiter ausführen. Ob diese Idee für die Dritte Welt taugt, wie die Macher meinen, bin ich mir nicht sicher. Es ist eine schräge Kombination aus Low- und Hightech. Ich würde keine Hightech-Bauteile für Lösungen von Problemen in der dritten Welt voraussetzen, solange es dort noch Dörfer gibt, die gemeinsam ein einziges Mobiltelefon besitzen.

Mir sind drei Eigenschaften dieses Fortbewegungsmittels wichtig:

1. Jeder kann sich (unter Anleitung) den Bambusrahmen selber bauen und damit für seinen eigenen Körper maßschneidern. Sowas ist mit anderen Materialien auch möglich, aber sehr teuer.

2. Jeder der dieses Teil nur kurz gesehen hat, möchte selber eines haben. Oder nicht? Das ist mehr wert als alle Apelle sämtlicher NGOs, doch bitte die Umwelt ein wenig zu schonen.

3. Dieses Fahrrad ist ein wunderbares Beispiel um aufzuzeigen, wie ein humanerer Kapitalismus aussehen könnte.

Über die ersten beiden Punkte kann man sich auf der Homepage des Bambus-Bikes informieren, doch was hat dieses komische Fahrrad mit dem Kapitalismus zu tun?

Die von uns gewählten Politiker sind aufgrund der Interessen die sie vertreten nicht in der Lage, irgend eines der anstehenden Probleme zu lösen. Unser System läuft weltweit, aber auch hier bei uns, auf eine Verschärfung der Gegensätze zwischen Arm und reich hinaus. Kommt kein fairen Ausgleich zustande, stehen uns irgendwann gewaltsame Auseinandersetzung bevor. Ich schenke es mir, auf den Vorwurf von Schwarzmalerei zu antworten. Die Zustände spotten schon jetzt jeglicher Beschreibung. Alle 6 Minuten verhungert irgendwo ein Kind und selbst bei uns ist es nicht möglich, daß jedes Schulkind ein Vesper im Ranzen hat.

Das Bambusfahrrad zeigt, was man am Kapitalismus ändern müßte, damit alles etwas humaner wird, ohne daß irgendwann Köpfe rollen müssen. Diese Fahrräder werden nicht gebaut, um damit den maximalst möglichen Profit zu erwirtschaften. Dazu müßten die Teile großindustriell hergestellt werden. Damit entfiele das Selbermachen und das eigene Customizing. Den Protagonisten des Projektes geht es aber darum, genau solche Fahrräder möglich zu machen. Sie werden trotzdem alle anfallenden Rechnungen für die verbauten Materialien bezahlen müssen. Sie werden sicher auch etwas Geld für ihr eigenes Leben verdienen wollen. Vielleicht wollen sie sogar reich werden. Vielleicht werden sie es, wenn es gut läuft.

Die Einstellung der Macher zu ihrem Produkt wäre das Muster für einen humanen Kapitalismus. Unternehmern müßte es wieder darum gehen, möglichst perfekte Produkte herzustellen, anstatt den Profit zu optimieren. Das hieße Porschequalität für alle. Früher lief es im Idealfall so und hieß “Made in Germany”. Das war nicht verkehrt, nur weil heute eine andere Ideologie angesagt ist, die sich gerne als Wissenschaft ausgibt.

Der Sinn eines Produktes scheint heute nur noch darin zu bestehen, Profit möglich zu machen. Der eigentliche Zweck des Produktes ist dem untergeordnet. Der Wunsch des Käufers etwas von Nutzen zu kaufen wird nur minimal, nicht maximal bedient. Man wird erpreßt, dies zu akzeptieren.

Die Erwirtschaftung von Profit wurde weltweit als einziges Ziel der Ökonomie etabliert. Der Widerspruch, daß Ökonomie soviel wie vernünftige Wirtschaften bedeutet, fällt niemand auf, weil jeder an diese neue Weltreligion glaubt. Profitabel gilt als vernünftig. Wenn es den Reichen besser geht, geht es den Armen automatisch auch besser, wird behauptet.

Der Profit nutzt aber nur dem der profitiert, während der praktische Nutzen jeden Benutzer zu Gute kommt. Deshalb sollte in der Ökonomie der praktische Nutzen mehr als der maximal erzielbare Profit bedeuten. Trotzdem hätte ich nichts dagegen, wenn die Erfinder des Bambus-Bikes schweinereich werden, solange sie ihrem Prinzip treu blieben.

Das einzige was gegen einen humanen Kapitalismus spricht, sind die Machtverhältnisse, d.h. die Interessen jeder, die davon profitieren, das alles so ist, wie es gerade ist. Sie sind wie die alten Feudalherren, nur betrachten sie heute den gesamten Globus als ihre private Pfründe.

Für einen humanen Kapitalismus spricht vieles. Die durch das Erwirtschaften von maximalem Gewinn verursachten Schäden sind viel höher als die Profite. An ihnen gemessen lohnt sich Profit gar nicht. Das gilt gleichermaßen für die ruinierte Umwelt, wie für die zerstörten sozialen Sicherungssysteme. Obama kämpft für ein Krankenversichungssystem, damit sich im Amerika endlich jeder einen Arztbesuch leisten kann, während bei uns die FDP die gesetzlichen Krankenkassen am liebsten abschaffen möchte, damit jeder selber zusehen muß, wie er klarkommt.

Ich habe keine Ahnung, ob es möglich ist, den Kapitalismus durch Gesetze mit Spielregeln auszustatten, die fairere Lebenschancen für alle ermöglichen. Ich vergesse aber nie, daß ausgerechnet ein Ackermann nach Spielregeln schrie, als sich die Bankenkrise abzeichnete. Wie es gerade mit der Finanztransaktionssteuer läuft, oder wie COP15 ausgegangen ist, macht nicht viel Mut. Das Beispiel des Bambus-Bikes zeigt aber was möglich ist, wenn sich Unternehmer von sich aus an faire Regeln halten. Es könnte sogar passieren, daß der Markt irgendwann kippt. Irgendwann machen jene Unternehmer die nicht auf die maximale Rendite als Betriebsziel setzen mit ihren qualitativ hochwertigeren Produkten mehr Kohle als jene, die es nur auf den Gewinn abgesehen haben und nur billige Scheiße anbieten können.

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Erstellt: 2. Januar 2010 02:52
Geändert: 6. März 2012 18:12
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