Initiative Pro Netzneutralität

Demokratie wieder legalisieren

10. Oktober 2010 17:01

(Warum ich hier relativ wenig poste.)

Anfang September 2010 habe ich ein Interview des Amerikanischen ‘Yes Magazine’ mit Prof. Riki Ott übersetzt, das netterweise unter einer Creative Commons Lizenz stand, die auch eine Übersetzung zuließ. Riki Ott ist Meerestoxikologin und Überlebende des Exxon Valdez Tankerunfalls von 1989 vor Alaska. Nachdem die BP-Bohrinsel im Golf von Mexiko explodierte, elf Menschen unmittelbar starben und ca. 700 Million Liter Rohöl anfingen auszulaufen, begab sie sich an den Golf von Mexiko, um vor Ort mit ihren Erfahrung zu helfen und u.a. die verschwiegenen gesundheitlichen Folgen auf ihrer Homepage zu dokumentieren.

Sie gab ihre Erfahrungen weiter, wie man als von einem solchen Unglück Betroffener meist im Stich gelassen wird und seine Interessenvertretung nach dem sog. Graswurzelprinzip selber von unten organisieren muß. Schon vor der Ölkatastrophe im Mexikanischen Golf hatte sie die Bewegung Ultimate Civics mitgegründet. Anlaß war eine 5:4 Entscheidung des U.S. Supreme Court, welche es der Regierung untersagte, die finanzielle Unterstützung großer Firmen für ihnen genehme Wahl-Kandidaten zu regulieren. Begründet wurde dies mit der Freiheit der Rede, womit diesen Firmen die selben Rechte wie lebenden Personen zugestanden wurden.

Riki Ott bringt dies in Ihren Vorträgen auf den Nenner, indem sie fragt, ob es in der US-Verfassung “Wir die Menschen” oder “Wir die Konzerne” heißt. Wie ich in meiner Nachbemerkung zur Übersetzung geschrieben habe, stört es mich schon länger, daß auch in unserem Recht meist nicht zwischen lebenden und juristischen Personen unterschieden wird. Dies führt zu einer Verschiebung des gesetzlichen Schutzes vom Schwächeren zum Stärkeren, wie er z.B. in der Straßenverkehrsordnung zum Ausdruck kommt. Persönlichkeitsrechte für juristische Personen hebeln außerdem Artikel 14 Abs. 2 GG aus.

Ich zähle dieses Konstrukt der juristischen “Person” zu einem der beiden Grundübel unserer globalisierten Welt. Juristische Personen sind eben keine real lebenden Menschen, die verhungern, sterben oder sonstwas können. Daß das Wohl der Menschen nirgendwo Priorität hat, sieht man an den Ungleichheiten. Das andere Übel habe ich schon öfter ausgeführt. Auch wenn die reine Definition politisch noch nichts bewirkt, schreibe ich es hier erneut: Die Ökonomie ist zum Machtinstrument einiger weniger pervertiert. Ökonomie heißt nicht Geldlogik. Die Logik der Ökonomie ist es, mit Ressourcen sinnvoll umzugehen. Ökonomie bedeutet vom Wortsinn her vernünftiges Haushalten. Daß Geld und nicht Leben und Umwelt als wichtigste Ressource angesehen wird, ist die willkürliche Entscheidung jener Interessengruppen die uns diktieren, wie wir zu leben haben.

Genauso willkürlich wird auf gefährliche Großtechnologien gesetzt, mit denen man Märkte besser kontrollieren kann. Das hat dann solche Katastrophen zur Folge, wenn mal was aus welchen Gründen auch immer passiert. Wenn es wirklich um Energieversorgung ginge, hätten wir längst auf jedem dafür geeigneten Dach eine Photogalvanik und selbst mit dem schlechtesten Wirkungsgrad würden diese uns mehr Energie liefern, als wir brauchen. Die Norweger haben mehr Strom aus Wasserkraft als sie brauchen, dieser darf in Deutschland nicht verkauft werden, nachdem die Laufzeiten für Atomkraftwerke auf undemokratische Weise verlängert worden sind.

Daß sich Riki Ott politisch engagiert und sich für die, wie sie es nennt, Legalisierung der Demokratie stark macht, anstatt nur als fleißige Wissenschaftlerin Daten abzuliefern und einen sogenannten neutralen Standpunkt einzunehmen, kann man ihr nicht hoch genug anrechnen. Sie schreibt regelmäßig Blogartikel für The Huffington Post und während die Ölkatastrophe offiziell nicht nur herunter gespielt, sondern für mehr oder weniger beendet erklärt wird, berichtet sie von Menschen, die vom Rohöl und von den eingesetzten Dispergiermitteln krank werden. Die Geschichte der Exxon Valdez wiederholt sich in allen Facetten, leider aber in viel größeren Ausmaß.

Sie macht den Ölunfall zu dem Politikum, das er ist. An diesem kann man sehr viele Aspekte studieren, die auch etwas mit uns zu tun haben, obwohl der Mexikanische Golf zum Glück nicht vor unserer Haustür liegt. Genauso wie die gesundheitlichen Folgen der Ölkatastrophe heruntergespielt werden und man die Erkrankungen der Betroffenen für psychisch bedingt erklärt, indem man psychosomatische Wirkzusammenhänge bemüht – wie, die Leute hätten zu viel Angst und zu viel im Internet gelesen, genau so ergeht es allen bei uns, welche die negativen Folgen unserer chemisch hoch belasteten Umwelt gesundheitlich nicht verkraften. In meinem letzten Beitrag schrieb ich, daß Linksorientierte lieber die von Lobbyisten mit aller Macht in die Welt gesetzten Erklärungen glauben, wonach es sich bei diesen Leuten um sog. Ökochonder handelt. Dabei bleibe ich.

Es kann nicht sein, daß sich nur jene engagieren, die selber gesundheitlich betroffen sind. Leider trifft dies auf die meisten Forscher zu, die sich mit MCS, CFS, EMS und anderen umweltbedingten Erkrankungen befassen. Riki Ott überlebte den Exxon Valdez Unfall, um am Golf von Mexiko erneut die gesundheitlichen Folgen am eigenen Körper spüren zu müssen. Daß die Paradigmen, welche Diabetes und Herzkreislauf-Erkrankungen ausschließlich als Folge der Lebensführung definieren, gerade kippen und Umweltfaktoren einräumen müssen, läßt ein wenig Hoffnung zu. Fragt sich nur, ob der Planet lange genug hält.

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Erstellt: 10. Oktober 2010 17:01
Geändert: 12. November 2010 06:53
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