Initiative Pro Netzneutralität

Sprießt bald der Stoppschilderwald?

11. Juli 2009 21:14

Wie nicht anders zu erwarten war, haben am 10.07.09 die Vertreter der Bundesländer im Bundesrat das “Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen” durchgewunken. Nach all den Diskussionen kann ich mir nicht vorstellen, daß die Abgeordneten nichts vom technischen Unterschied zwischen Löschen und Sperren wußten. Dieser ist für die Angemessenheit, bzw. Zweckdienlichkeit des Gesetzes von großer Bedeutung. Entweder glauben sie das Märchen, daß man an Serverbetreiber im Ausland meistens nicht herankommt oder sie wollen das Internet bewußt über das Maß der bisher geltenden Gesetze kontrolliert sehen.

Etwas zynischer könnte man feststellen, daß sie bei der Fülle der Gesetze über die sie befinden sollten gar nicht die Zeit hatten, sich mit einzelnen Gesetzen ausreichend auseinander zu setzen.

Genauso wie der technische oder gar juristische Unterschied zwischen Löschen nach bisherigem Recht und Sperren nach diesem Frickelgesetz nicht jedermann bekannt zu sein scheint, wird in der Argumentation der Befürworter von Sperren zwischen Serverbetreiber, Servernutzer und Server nicht differenziert. Es kann durchaus sein, daß man dem Nutzer nicht immer habhaft werden kann. Der Serverbetreiber könnte sich ebenfalls aus dem Staub machen, doch dürfte dieser sehr viel leichter zu ermitteln sein. Wo der Server steht kann man jedoch solange er läuft heraus bekommen. Bestes Gegenargument für die Notwendigkeit von Sperren ist die Praxis der Banken, die in der Lage sind, Phishingseiten binnen weniger Stunden aus dem Netz nehmen zu lassen. Warum sollte das nicht auch mit Kinderpornographie möglich sein?

Behörden die behaupten, sie könnten über’s Internet Festplatten auf Privatrechnern durchsuchen, wollen gleichzeitig technisch nicht in der Lage sein, einen Server und dessen Betreiber ausfindig zu machen. Die IT-Fähigkeiten Deutschlands darf man getrost anzweifeln, wenn man an das Mout-System, an die ALG2-Software und jetzt an die Gesundheitskarte denkt. Wahrscheinlich können ein paar Planer nicht richtig zwischen Virtualität und Wirklichkeit unterscheiden.

Wir blicken nun gespannt auf unseren Bundespräsidenten, ob er das Gesetz unterschreiben wird. Er könnte das formale Zustandekommen oder die Verletzung von Verfassungsprinzipien bemängeln und sich elegant aus einer inhaltlichen Diskussion heraus halten. Ich bin relativ skeptisch, ob er das tut, lasse mich aber gerne überraschen.

Der Nachwuchspirat Jörg Tauss kündigte am 01.07.09 an an, mittels Organstreitverfahren das Zustandekommen des Gesetzes vom Bunderverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Wie weit dies auf den Weg gebracht ist, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Der Arbeitskreis Zensur hat bereits am 19.06.09 eine Verfassungsbeschwerde angekündigt.

Eine aktuelle Heise-Meldung bestätigt Verfassungsbedenken gegen dieses Gesetz. Mitarbeiter von Prof. Dr. Dirk Heckmann, der an der Universität Passau den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Sicherheits- und Internetrecht inne hat, weisen dankenswerterweise nicht nur auf zahlreiche verfassungsrechtliche Risiken sondern auf die Mißbrauchsgefahr für die Einrichtung einer Internetzensur hin. Die Argumentation deckt sich exakt mit jener der Community.

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Erstellt: 11. Juli 2009 21:14
Geändert: 11. Juli 2009 21:32
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