Bienen in der Stadt
12. Februar 2015 14:35
Am 11. Februar 2015 wurde in den Proceedings B der Royal Society die Studie "Where is the UK's pollinator biodiversity? The importance of urban areas for flower-visiting insects"* von Katherine C. R. Baldock, Mark A. Goddard, et al (DOI: 10.1098/rspb.2014.2849) veröffentlicht, welche zu einem erstaunlichen Ergebnis kommt. Im städtischen Grün findet man genau so viele Pollinatoren, also bestäubende Insekten, wie in der freien Natur.
*Wo findet man die Biodiversität der Pollinatoren in Großbritannien? Die Bedeutung städtischer Bereiche für Blüten besuchende Insekten
Die Forscher verglichen drei Landschaftstypen: Stadtraum, landwirtschaftlich genutzte Flächen und Naturschutzgebiete. In jeweils 12 solcher "Landschaften" wurden mit Hilfe eines Netzwerkes aus Meßpunkten bestäubende Insekten auf einer Fläche von einem Quadratkilometer stichprobenartig gezählt. Dazu gehörten Wildbienen, Hummeln, Honigbienen, solitäre Bienen und Schwebfliegen. In allen drei Landschaftstypen gab es ungefähr die selbe Vielfalt an bestäubenden Insekten. Es gab auch ungefähr gleich viele Bienen, im städtischen Raum wurden jedoch mehr Bienenarten festgestellt, so auch mehr Wildbienen. Dagegen gab es auf Ackerland und in Naturreservaten mehr Schwebfliegen als in der Stadt. Seltenere Insektenarten kamen in allen drei Landschaftstypen ungefähr gleich häufig vor.
Ebenso erstaunlich ist, daß in der Stadt die den Insekten zur Verfügung stehende Pflanzenvielfalt am größten ist. Ich hätte eher auf Naturschutzgebiete getippt.
Diese Studie zeigt, wie wichtig die Stadt für das Überleben der Bienen geworden ist. Ohne die von Bienen erbrachte Arbeit der Bestäubung, sähe das Angebot an Obst und Gemüse ein wenig bescheidener aus, als wir es gewohnt sind.
Obwohl es die Chemie-Lobby anfänglich geschafft hatte, der Öffentlichkeit weiß zu machen, daß einzig die Varroamilbe und damit eigentlich das Unvermögen langjährig erfahrener Imker dafür verantwortlich wäre, daß immer weniger Bienenvölker den Winter überleben, sind die Zusammenhänge mittlerweile besser bekannt. Längst werden Neonicotinoide in Pflanzenschutzmitteln für das Sterben von Bienen und anderen bestäubenden Insekten verantwortlich gemacht. Die EU-Kommission hat zum vorsorglichen Schutz von Bienen die Verwendung der neonicotinoiden Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam ab dem 1. Oktober 2013 stark eingeschränkt.
Eine neuere Studie, Christopher Moffat, Joao Goncalves Pacheco, et al (DOI: 10.1096/fj.14-267179), hat sogar einen Wirkzusammenhang aufgezeigt und eine Schädigung der Mitochondrien in Hirnzellen durch Neonicotinoide bei Hummeln nachgewiesen, was sich direkt auf deren Verhalten und Überlebensfähigkeit auswirkt. Dies wurde mit Feldversuchen in pestizidfreier Umgebung im Schottischen Hochland belegt. Zuvor haben zahlreiche andere Studien das Bienensterben (auch CCD - Colony Collapse Disorder genannt) mit Neonicotinoiden in Zusammenhang gebracht. Die EU-Kommission will nach Ablauf von zwei Jahren die wissenschaftliche Literatur erneut prüfen und wird hoffentlich Neonicotinoide dauerhaft verbieten.
Leider muß man sich um deren Unabhängigkeit Sorgen machen. So wurde erst Anfang Februar 2015 bekannt, daß ein Bericht, der möglicherweise das Verbot von bis zu 31 Pestiziden wegen endokriner Eigenschaften zur Folge gehabt hätte, zurückgehalten wurde.
Aufgrund der anfangs vorgestellten Studie wissen wir nun aber, daß wir selbst in der Stadt etwas für die unter Druck stehende Bienenpopulation tun können. So sollten wir politisch Einfluß darauf nehmen, daß unser Stadtgrün noch bienenfreundlicher gestaltet wird. Wer einen Garten hat, kann dies selber tun und sollte vor allem auf den Einsatz von Chemie verzichten. Doch auch wer einen Balkon oder sogar nur einen Blumenkasten auf dem Fensterbrett hat, kann einen kleinen Beitrag leisten. Welche Pflanzen dafür am besten geeignet sind, läßt sich durch eine Recherche leicht herausfinden.
Besonders sympathisch finde ich, daß das Hotel Westin Grand hier in Berlin seit 2013 auf seinem Dach ein paar Bienenvölkern ein Zuhause bietet. Da der nahe gelegene Boulevard "Unter den Linden" tatsächlich von vielen Linden gesäumt wird und der Tiergarten nicht weit ist, finden diese Bienen reichlich Nahrung und haben weniger Pestizide als auf dem Land zu fürchten.
Seit 2009 gibt es im Prinzessinnengarten Stadtbienen. Es wurden aber auch schon Wildbienen gesichtet. Desweiteren gibt es Veranstaltungen für Bienenfreunde und potentielle Bienenhalter in der Stadt.
Seit 2011 läuft die Aktion "Berlin summt", Teil der bundesweiten Kampagne "Deutschland summt!". U.a. werden Bienenvölker auf "prominenten" Dächern bekannter Gebäude abgestellt.
Nach Auskunft des Imkerverbandes soll es in Berlin über 800 Stadtimker und damit sicher mehr Bienen als Einwohner geben. Wer Bienen auf dem Balkon halten möchte, kann bei der BienenBox einen Bausatz bestellen.*
Oder wie wäre es mit einem Insekten Hotel im Garten?
So 01.10.2017 16:56:08 CEST:
Schautafeln zum Thema Insektennisthilfen und Wildbienen
*Anmerkung, 14.04.2015:
Erhard Maria Klein von Mellifera e. V. hat zu dieser Art der Haltung einen kritischen Beitrag geschrieben und empfiehlt die Bienenkiste seines Vereins, welche kostengünstig selbst gebaut werden kann. Ob die Bauform der BienenBox ungünstig ist und zu einem Futterabriß führen kann, erfragen Sie bitte bei erfahrenen Imkern. Gerne füge ich hier eine weitere Ergänzung an, wenn mir jemand kompetent schreibt.
Ein paar Links zu Studien und Berichten habe ich hier gesammelt:
www.ufocomes.de/sources/bee_links.html - Siehe auch meinen Eintrag von 26.01.2015
(Bitte herunterladen, nicht verlinken. Danke!)
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Professor David Goulson @DaveGoulson
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Erstellt: 12. Februar 2015 14:35
Geändert: 14. Oktober 2020 21:12
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