Initiative Pro Netzneutralität

Unzulässige Richtervorlage zur Verfassungswidrigkeit von Arbeitslosengeld II Sanktionen

3. Juni 2016 10:53


© Foto: yoni sheffer CC: BY-NC-ND via flickr 

Am 26. Mai 2015 beschloß das Sozialgericht Gotha, das Klageverfahren eines Betroffenen auszusetzen, um dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die Sanktionsregelung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 12 Abs.1 GG sowie mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar ist. Es ging von der Verfassungswidrigkeit der Hartz IV Sanktionen aus.

Am 02.06.2016 hat das Bundesverfassungsgericht eine Presseerklärung zu seiner Entscheidung vom 06.05.2016 veröffentlicht. Es lehnt die Richtervorlage aus Gotha als unzulässig ab.

Kernsatz ist für mich: "Es fehlt (jedoch) an einer hinreichenden Begründung, warum die Verfassungswidrigkeit der §§ 31 ff. SGB II im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich sein soll."

Im Klartext heißt das, ob Hartz IV Sanktionen verfassungswidrig sind, interessiert in dem ausgesetzten Verfahren nicht. Vielmehr müsse geklärt werden, ob die Sanktionsbescheide gegen den Kläger formal korrekt waren.

Dafür kann man das Verfassungsgericht nicht rügen. Es prüft eben nicht automatisch die vorgelegte Frage, sondern welcher Entscheidungsbedarf in dem zugrunde liegenden Verfahren besteht und ob diese Entscheidung nicht vom vorlegenden Gericht selber getroffen werden kann. Dem Kläger wäre gegebenenfalls mit einer Aufhebung der Sanktionen geholfen gewesen. Was wäre aber, wenn das Sozialgericht Gotha die Sanktionen zwar für nach geltendem Recht korrekt erteilt, die Sanktionspraxis aber trotzdem für verfassungswidrig befunden hätte? War die Richtervorlage einfach nur ungeschickt formuliert oder zu früh vorgelegt?

Ich möchte keinem der beiden Gerichte die Verantwortung für den Mißerfolg zuschreiben. Dieser Vorgang zeigt leider, wie schlecht unser System funktioniert und daß ohne ausreichend öffentlichen Druck nichts von selber besser wird. Viel schlimmer finde ich, daß diese Entscheidung, nicht über die Verfassungsmäßigkeit von Sanktionen zu entscheiden, bei Betroffenen oder Interessenvertretern so gut wie keine unmittelbaren Reaktionen ausgelöst hat.

Liegt es daran, daß noch weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes zu der Frage anstehen, ob die Jobcenter bis zum Entzug der Existenzgrundlage sanktionieren dürfen? Oder haben die meisten längst ihre Hoffnungen aufgegeben und erwarten von unserem höchsten Gericht nichts mehr? So wie manche nichts mehr von Wahlen, Parteien oder Demokratie an sich halten? War ich der Einzige, der auf diese Entscheidung gewartet und Hoffnungen mit ihr verbunden hat?

Welcher Druck würde von uns allen fallen, wenn wir endlich Schwarz auf Weiß hätten, daß Hartz IV Sanktionen grundgesetzwidrig sind. Dies würde auch die Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen voran bringen, damit wir endlich mal ein soziales Problem lösen und uns als Gesellschaft ein Stück weiter entwickeln.

Stattdessen scheint die Entwicklung zu einer sozialeren Gesellschaft eher zu stagnieren. Das Tempo kann sich sogar noch verlangsamen oder Entwicklungen können rückwärts gehen. Je nach dem, ob in Zukunft mutige oder nur systemkonforme Menschen für das Amt als Verfassungsrichter berufen werden oder ob rechte, rückwärtsgewandte, menschenverachtende Einstellungen noch mehrheitsfähiger werden, als sie beschämenderweise schon sind.

Ich könnte nun schreiben, wie masochistisch man sein muß, oder wie frustrierend es für einigermaßen gut informierte Menschen ist zu wissen, daß wir mit unserer Kreativität außer der Halbwertszeit von Plutonium fast alle Probleme lösen könnten und daß alle Menschen auf diesem Planeten ein naturgegebenes Recht auf ein gutes Leben haben, sofern die Regeln unseres Zusammenlebens auf Chancengleichheit und Partizipation beruhen sollen. Doch was ändert das bloße Jammern?

Genau so gut könnte ich mir den Text der Entscheidung des hohen Gerichtes ansehen und eine Analyse schreiben. Bin mir nicht sicher, ob ich dabei mehr zustande brächte, als es andere hoffentlich noch tun werden. Ich weiß auch nicht, ob es hier jemand liest, so selten wie ich mich zu Wort melde.

Warten wir also ab, wie die noch ausstehenden Entscheidungen ausfallen werden und hören wir nicht auf, unsere Utopien von einer gerechteren Welt zu verbreiten. Je größer der Kontrast, desto besser ist etwas zu sehen.


Meta: , , , , , , , , , , ,

Erstellt: 3. Juni 2016 10:53
Geändert: 14. Oktober 2020 21:11
URL: http://blog.ufocomes.de/index.php?id=145